Blutbad im Kopf
Die allmontägliche Kolumne für die ganze Familie

In der Agentur für Arbeitslosigkeit

Lange habe ich es hinausgezögert, mich mit meiner Arbeitssuche an das Arbeitsamt (oder reformdeutsch: Agentur für Arbeit) zu wenden. Schließlich ist dieses nicht gerade für seine großen Erfolge bekannt und da es sich um eine (deutsche) Behörde handelt, stand zu vermuten, daß es mit der Kundenorientiertheit ähnlich weit her ist wie beispielsweise an Universitäten. Das waren die Vorurteile, mit denen ich meinen Weg dorthin angetreten habe, und innerhalb weniger Minuten gelang es der Dortmunder Agentur für Arbeit diesen Vorurteilen die Vorsilbe zu nehmen und sie zu schönen, ausgefeilten Urteilen zu formen. Alle Befürchtungen haben sich voll und ganz bestätigt und nur wenige Fettnäpfchen wurden von den Mitarbeitern schwerfällig umgangen.

Aber betrachten wir meine Odyssee von Anfang an. Die Probleme begannen nicht erst mit dem Betreten der Agentur am letzten Mittwoch, sondern bereits Tage zuvor. Ich hatte mir im Vorhinein Gedanken macht, um den Aufwand weitestmöglich zu minimieren - schließlich liest man ja schon seit Monaten, wie überlastet alle Agenturen aufgrund des über's Knie gebrochenen Arbeitslosengeld II* seien. Im Gegensatz zu all diesen ALG-Empfängern, will ich ja nicht primär mein Noteinkommen sichern, sondern brauche Hilfe bei der Jobsuche. Also hatte ich geplant, telefonisch einen Termin für ein Beratungsgespräch abzumachen. Meeep. Falsch. Die Agentur für Arbeit ist telefonisch leider nicht zu erreichen. Statt eines hilfsbereiten Menschen ertönt immer nur eine freundliche (aber eben nicht hilfsbereite) Bandansage, daß leider alle Mitarbeiter gerade im Gespräch seien (oder sonst einer wichtigen Tätigkeit nachgehen). Wer schon einmal im Dortmunder Arbeitsamt gewesen ist und wie ich die endlos langen Korridore bestaunen konnte, dem wird es schwer fallen, zu glauben, daß all diese Myriaden von Mitarbeitern ständig in irgendwelche Gespräche verwickelt sein können. Außerdem stellt sich dem servicebewußten Menschen natürlich sofort die Frage, wieso nicht einfach ein paar mehr Mitarbeiter für die telefonische Beratung eingeteilt werden. Idealerweise könnte die Agentur ja auch einigen ihrer Kunden selbst Stellen anbieten. Wenn die momentane Menge an Mitarbeitern nicht ausreicht, wäre das doch ein logischer Schritt. Schließlich ist man ja kein Wirtschaftsunternehmen, das aus Gründen der Gewinnmaximierung möglichst viele Arbeitnehmer auf die Straße setzen muß; der Shareholder Value, Sie verstehen?

Entsprechend frustriert beschloß ich daraufhin vor Ort um einen Termin zu ersuchen. Gar so weit ist die Agentur ja nun auch nicht von meiner Wohnung entfernt. Das tat ich also am letzten Mittwoch. Bewußt ging ich nicht früh morgens - da ist es vermutlich am vollsten - sondern ungefähr in der Mitte der servicefreundlich gehaltenen Öffnungszeiten (jeden Tag 5 Stunden und Sonntags auch mal zwei... äh Donnerstag auch mal den Nachmittag hindurch) gegen 10 Uhr. Und in der Tat, es war angenehm leer. Sogar so leer, daß nicht einmal der Informationsschalter besetzt war. Leicht verwirrt ging ich zu einem der drei(!) ALG-Informationsschalter und schilderte mein Problem.

"Ich habe gerade mein Studium abgeschlossen und suche jetzt Arbeit. Dazu hätte ich gern einen Beratungstermin."

"Sie wollen also kein Arbeitslosengeld Zwei beantragen?"

"Nein."

"Dann gehen Sie bitte dort drüben zum normalen Informationsschalter."

"Da ist aber niemand!"

"Ach, der kommt bestimmt gleich wieder."

Kam er in der Tat. Es ist ja auch eigentlich nichts dabei, wenn der gute Mann mal eben zwischendurch auf's Klo geht. Aber wieso ist er denn ganz allein bei seiner Aufgabe, wohingegen die ALG2-Kollegen sich zu dritt gelangweilt haben. Als ich dort nachfragte, konnte ich mir jedenfalls aussuchen, wen ich frage. Nun gut, der freundliche Mann schickte mich sodann in Zimmer 1042. "Das ist im ersten Stock." Eigentlich wollte ich ja nur einen Termin, aber gut. Ich irre also relativ lang durch die oben bereits erwähnten unendlich langen und größtenteil leeren Gänge bis ich das besagte Zimmer schließlich finde. An der Tür kann man eine Nummer ziehen, was ich, leicht irritiert, tue und mich dann zu den anderen Leutchen in den Wartebereich begebe, den sich dieser Raum mit den angrenzenden und gegenüberliegenden teilt. Mit der Zeit steigt meine Irritation. Eigentlich wollte ich nur einen Termin für ein Beratungsgespräch und jetzt sitze ich hier, schaue auf meine Nummer, 674, und frage mich, was wohl der Aufdruck zu bedeuten hat. "Bitte warten, bis Ihre Nummer in der Anzeige erscheint!" Eine Anzeige ist jedoch weit und breit nicht zu sehen und als nach einiger Zeit die Tür aufgeht und eine Frau "Wer ist als nächstes dran?" ruft, komme ich mir schon ziemlich verarscht vor. Da noch einige Leute den Wartebereich bevölkern (und man ja dank der nicht genutzten Nummern auch nicht spazieren gehen kann, bis man dran ist), schaue ich mich ein wenig um und entdecke dabei zufällig(!) die herumliegenden Formulare. In deren Nähe klebt ein kleiner Zettel, auf dem steht "Füllen Sie dieses Formular bitte aus, während Sie warten." "Gut, daß man so deutlich darauf hingewiesen wird" denke ich mir und beginne das Formular zu studieren. Abgesehen davon, daß am Rand der Kopie "Arbeitsamt Dortmund" steht, was das Alter der Vordrucke durchscheinen läßt, soll ich lediglich persönliche Daten und Qualifikationen eintragen. Das klingt vernünftig, also zücke ich meinen Kugelschreiber, den ich glücklicherweise immer mitführe (vor Ort wäre natürlich keiner verfügbar gewesen) und fülle das Formular aus. Die restlichen 45 Minuten des Wartens muß ich mir anderweitig die Zeit vertreiben. Da zahlt es sich doch mal wieder aus, daß ich, wo ich gehe und stehe, ein Buch mitschleppe. In der Zwischenzeit leert sich der Wartebereich und ich komme mit einem Juristen ins Gespräch, der mir erzählt, daß es morgens, als er zum ersten mal dort gewesen ist, in der Tat unangenehm voll gewesen sei. Wenigstens eine richtige Entscheidung meinerseits. Schließlich bin endlich ich "der Nächste" - die Nummer hebe ich aus Nostalgiegründen auf. Eine unfreundliche Dame nimmt sich kaum die Zeit, mich zu begrüßen, sondern verlangt lediglich den ausgefüllten Bogen und meinen Personalausweis von mir und schickt mich wieder vor die Tür. Offenbar ist es ihr peinlich, wie langsam sie den Computer bedient, so daß sie keine Zuschauer möchte. Ich unterhalte mich also weitere 10 Minuten mit dem Juristen, bis ich wieder hineingebeten werden, diesmal per namentlichem Aufruf. Ich bekomme meinen Personalausweis wieder und muß nun aus einer Liste von Schlüsselqualifikationen 15 auswählen, die mich auszeichnen. Besonders amüsiere ich mich über Denkvermögen. "Das setzen wir eigentlich voraus", meint die mürrische Agenturesse. Meine Nachfrage, warum es denn dann dort stehe, bleibt unbeantwortet. Kaum habe ich die letzte Qualifikation umkreist, wird mir das Blatt wieder abgenommen und ich werde mit den Worten "Okay. Jetzt sind Sie bei uns gemeldet." verabschiedet. "Ich wollte aber doch eigentlich einen Beratungstermin", entgegne ich genervt. "Wir melden uns bei Ihnen." Extrem genervt trete ich den Heimweg an, obwohl ich viel lieber irgendeinen der Verantwortlichen treten würde. Kurz überlege ich, ob ich meine Wut an einem der reichlich vorhandenen Erfüllungsgehilfen auslassen soll, entscheide mich dann aber dagegen.

Fazit: Ich habe (inklusive Hin- und Rückfahrt) fast zwei Stunden mit etwas vertrödelt, was ich innerhalb von deutlich weniger als 10 Minuten online hätte erledigen können. Das System funktioniert offensichtlich exzellent - zumindest die eigenen Arbeitsplätze weiß die Agentur meisterhaft zu sichern. Herzlichen Glückwunsch!



Addendum: Am heutigen Montag haben sich die Arbeitsagenten tatsächlich bei mir gemeldet. Überraschend schnell, wie ich finde. Das Beratungsgespräch findet interessanterweise an der Dortmunder Universität statt. Ich bin gespannt.







* Dieses Ungetüm ist meiner Meinung nach übrigens bei der Wahl zum letztjährigen Unwort des Jahres eindeutig übersehen worden.




[Kreetrapper - 31.01.2005]