Blutbad im Kopf
Die allmontägliche Kolumne für die ganze Familie

Spaß mit der Agentur für Arbeitslosigkeit - Teil 1

In dieser Reihe werde ich in loser Folge von meinen bis ans Surreale grenzenden Erfahrungen mit der "Agentur" für Arbeit berichten. In dieser ersten Folge geht es komplett um das größte Thema von allen. Wie kommt man an

ALG II

Mitte/Ende Januar: bei der Meldung als arbeitslos nicht nur extrem unfreundlich behandelt worden, sondern auch in einem Nebensatz folgendes erfahren: "Geld bekommen Sie dann aber nicht von uns."

27. April: Termin wegen Finanzierung einer Weiterbildungsmaßnahme, dabei zufällig erfahren, daß ich Anrecht auf ALG II habe. "Hier füllen Sie den Antrag aus."

4. Mai: mit dem ausgefüllten Antrag zum Amt zur Agentur gelaufen. Muß allerdings feststellen, daß die Nachfrage zum Thema ALG II wohl nicht so groß ist, da man sich hier die ausufernden generellen Öffnungszeiten nicht annimmt. Stattdessen sind die entsprechenden Stellen nur an vier Tagen in der Woche jeweils 31/2 Stunden geöffnet. Mittwochs allerdings nicht.

5. Mai: Himmelfahrt. überlege kurz, ob ich auch hinauffahren soll, entscheide mich aber dagegen. Hatte eben keine Ahnung was noch alles auf mich zukommen würde.

6. Mai, 9.45: beim Amt bei der Agentur angekommen. Die ALG II-Infoschalterschlange reicht bis zur Tür (was sicherlich auch mit dem schlechten Design der Eingangshalle zusammenhängt).

6. Mai, 10.10: Ich erreiche den Infoschalter, nur um zu erfahren, daß mein Antrag hier nicht angenommen werden kann und ich stattdessen in Raum 3140 muß; "das ist im dritten Stock."

6. Mai, 10.15: Nach überraschend kurzer Suche finde ich Raum 3140. Davor stehen unangenehm viele Leute. Man kann Nummern ziehen. Das letzte Mal war das aber nur als unterhaltsamer Zeitvertreib ohne tieferen Sinn gedacht. Trotzdem ziehe ich sicherheitshalber mal eine Nummer, 549. Man weiß ja nie. Und tatsächlich werden hier die Nummern auch wirklich aufgerufen. Diesmal zum Beispiel die Nummer 520. Ich schaue noch mal auf meine eigene Nummer, immer noch die 549. *stöhn*

9. Mai, 9.00: Internetrecherche hat ergeben, daß die Öffnungszeiten des Sozialamtes, das - Überraschung - diese Anträge annimmt, noch eine Spur kundenunfreundlicher (oder, um es mit klaren Worten zu bedenken: asozialer) sind, als die des ehemaligen Arbeitsamtes. Man öffnet den Hilfebedürftigen hier lediglich an vier Tagen in der Woche von 8-10 Uhr die Pforten. Das entspricht einer Wochenöffnungszeit von 8 (acht!) Stunden. Die meisten Privatbetriebe schaffen das an einem Tag. Trotzdem schaffe ich es den Antrag mitsamt der Umnenge von Belegen uns sonstigem Schnick-Schnack abzugeben. Da ich in letzter Zeit ungewöhnlich viel Geld von meinem Sparbuch abgehoben habe (das Bankgeheimnis gilt nämlich nur für Reiche), muß ich leider noch eine Erklärung meiner Mutter nachreichen, daß sie mich in den letzten Monate an des Staates statt durchgefüttert hat und das nun gefälligst zurückgezahlt bekommen wollte, bevor der Staat sich wieder aus seiner Verantwortung stiehlt.

13. Mai, 10.30: Mein zweiter Sozialamtsbesuch verläuft nicht ganz so positiv wie der erste. Immerhin habe ich inzwischen erfahren, daß man hier seit neuestem die generösen ALG-2-Öffnungszeiten der Agentur übernommen hat. Obwohl nur zwei Leute vor mir sind, warte ich genauso lange wie beim letzten Mal. Da mein Sachbearbeiter gesagt hat, ich solle, wenn möglich wieder mit ihm sprechen, sage ich das dem freundlichen Herrn, der mich eigentlich gerade drannehmen will. Erst eine knappe Viertelstunde später stellt sich heraus, daß der betreffende Mitarbeiter heute frei hat und ich nur mißverstanden wurde. Daher gebe ich meine Unterlagen einem anderen Sachbearbeiter, der verspricht, sie in meinem Sinne weiterzuleiten. Trotz der unnötig langen Wartezeit bin ich nicht verärgert, weil klar erkennbar ist, daß sich die Menschen, die hier arbeiten, Mühe geben. Ein feature, das man bei der "Agentur" bislang vergeblich sucht.

9. Juni, 11.45: Nach tagelangen Versuchen werde ich endlich einmal nicht von einer freundlichen Frauenstimme abgespeist, die behauptet, daß alle Leitungen belegt seien und ich es später noch einmal versuchen solle. Stattdessen spreche ich mit einer der für ALGII zuständigen Sachbearbeiterinnen, die mir versichert, daß mein Antrag bereits bearbeitet und bewilligt wurde, momentan noch "beim Drucker" liege, mich der Bescheid aber in den nächsten Tagen per Post erreichen werde.

Am 25. Juni erreicht mich ein Bescheid vom 21. Juni, in dem mein Antrag wegen zu großer Ersparnisse abgelehnt wird. Und das obwohl ich zwischendurch auch noch von anderer (inoffizieller) Stelle erfahren habe, daß mir etwas über 600 Euro gezahlt werden sollten.

In der folgenden Woche versuchen ich und meine Mutter vergeblich einen Zuständigen bei der Agentur ans Telefon zu bekommen.

Nachdem ich mich über die abstruse Kundenunfreundlichkeit/Dummheit des Arbeitslosenzentrums (ALZ) aufregen mußte (offenbar will man erreichen, daß sich die "Kunden" der Agentur hier gleich richtig wohl fühlen), lasse ich mich hinsichtlich eines zu formulierenden Widerspruchs von der PDS beraten, bei der es überhaupt keine Schlange gibt. Das mag auch daran liegen, daß ich hier nicht wirklich viel Neues erfahre, aber wenigstens etwas. Sodann formuliere ich einen ersten Entwurf.

8. Juli. Da mir von der PDS zu anwaltlichem Beistand geraten wurde, gehe ich zur öffentlichen Rechtsberatung im Amtsgericht. Das Amtsgericht ist ein schickes neues Gebäude und ich muß es durch einen von Uniformierten bewachten Metalldetektor betreten. Cool. Der Rechtsberater ist nur an einem Tag in der Woche da, zum Glück habe ich per Zufall genau diesen Tag erwischt. Außerdem ist er ein jovialer, freundlicher Typ mit einer nicht ganz unattraktiven Referendarin (oder wie das bei Juristen heißt). Er hat überraschenderweise noch nie Hartz-IV-Beratungen durchgeführt, bestätigt aber die Grundlinie meines Vorgehens und meint, ich könne mir gute Chancen ausrechnen, mit meinem Widerspruch Erfolg zu haben.

18. Juli. Ich möchte meinen Widerspruch bei der Agentur einreichen. Die Widerspruchsstelle (Man kann so etwas ja nicht einfach beim Empfang abgeben. Das muß alles seine Ordnung haben) befindet sich im fünften Stock um weniger Entschlossene abzuschrecken. Ich lasse mich aber nicht so leicht ins Bockshorn jagen [wie lange habe ich das schon nicht mehr gesagt oder gar geschrieben], entdecke im letzten Moment den Aufzug und fahre bequem nach oben. Da die meisten ALG-II-Fälle nie über den 1. Stock hinaus kommen, ist es hier oben sehr ruhig und beschaulich. Lediglich eine freundliche Ausländerfamilie wartet vor mir. Als ich an der Reihe bin, muß ich feststellen, daß die zuständige Sachbearbeiterin sehr freundlich und zuvorkommend ist, und sie erinnert mich sogar daran, mir den Eingang des Dokuments bestätigen zu lassen. Als ich nach der voraussichtlichen Bearbeitungszeit frage, muß sie leider mit "ein bis zwei Monate kann das zur Zeit schon dauern" antworten. Da kann ich nur von Glück sagen, daß ich nicht wirklich von meinen Ersparnissen lebe, denn die wären nach dem Ende der ganzen Prozedur vermutlich so gut wie aufgebraucht.

27. Juli. Ich erhalte per Post eine EIngangsbestätigung für meinen Widerspruch, in dem ich darum gebeten werde "von Nachfragen abzusehen". Dumm wie ich bin, halte ich mich erst einmal daran.

Wie es am 27. Oktober dann weiterging erzähle ich in aller Ausführlichkeit zu einem späteren Zeitpunkt, da dieses Schmankerl den bescheidenen Rahmen dieser Kolumne sprengen würde.


[Kreetrapper - 31.10.2005]