Blutbad im Kopf
Die anheimelnde Kolumne für die ganze Familie

Neverending Story
aus der Reihe: Spaß mit der Agentur für Arbeitslosigkeit

Was bisher geschah:

Als wir unseren Helden das letzte mal sahen, hatte er einen Antrag auf Arbeitslosengeld II gestellt (Wer auch immer sich diese Bezeichnung ausgedacht hat, steht auf meiner Liste ganz oben. So viel steht fest.), eine völlig ungerechtfertigte Ablehnung desselben erhalten und prompt Widerspruch dagegen eingelegt. Das letzte, was er von der Agentur für Arbeitslosigkeit in dieser Angelegenheit gehört hatte, war ein Schreiben vom 27. Juli 2005, in dem der Eingang des Widerspruchs bestätigt wurde und er gebeten wurde, von weiteren Nachfragen abzusehen.

Und so ging es weiter...

Mitte November: Ich bin zwar gebeten worden, von weiteren Nachfragen abzusehen, aber das ist nun schon beinahe 4 Monate her und ich beschließe mich doch einmal nach dem Fortgang zu erkundigen. Nachdem bei der Agentur telefonisch natürlich niemals jemand zu erreichen ist und ich auch sowieso nicht weiß, wer für die Bearbeitung meines Widerspruchs zuständig ist (entsprechende Schreiben der Agentur sind vorsichtshalber völlig unpersönlich gehalten und der Verdacht liegt nahe, daß man dort selbst nicht weiß, wer eigentlich wofür zuatändig ist, so daß die meisten Angestellten vermutlich den ganzen Tag Däumchen drehen und darauf warten, daß ihnen jemand sagt, was sie tun sollen), habe ich nun endültig die Faxen dicke und gehe persönlich dort vorbei. Im ehemaligen Arbeitsamt hinter dem Hauptbahnhof erfahre ich, daß für Geldangelegenheiten nun das ehemalige Sozialamt in der Luisenstraße zuständig ist. Wie schon bei meinen letzten Besuchen dort stellt es sich als äußerst schwierig, wenn auch nicht unmöglich, heraus, die Öffnungszeiten desselbigen online herauszufinden. Ich gehe also dorthin, warte geduldig bei der Anmeldung, die in einem hinteren Winkel des Erdgeschosses provisorisch aufgebaut ist und bei der man stehend darauf warten muß, daß man an die Reihe kommt. Die freundliche Dame dort (interessanterweise habe ich die Erfahrung gemacht, daß das Personal in diesem Gebäude im Schnitt erheblich freundlicher ist, als ihre Kollegen in der Nordstadt) weiß leider auch nicht so genau, wohin ich mich mit meinem Problem wenden muß und ich verbringe die nächste halbe Stunde mit einer Odyssee durch die dortigen Räumlichkeiten - es fehlt nur noch, daß man mir sagt, ich solle mir doch den Passierschein A 38 besorgen. Mein Weg führt mich auch in die Widerspruchsstelle, die natürlich keinen Publikumsverkehr pflegt, weshalb man mich dort mit für diesen Ort sehr untypischer extremer Unhöflichkeit behandelt. Als sei es meine Schuld, daß dort alle zu dumm sind, um mir in meiner Angelegenheit helfen zu können. Schließlich lande ich endlich bei jemandem, der zwar nicht zuständig ist, sich zumindest aber die Mühe macht, mich anzuhören und sodann einige Telefonate tätigt. Es stellt sich heraus, daß mein Widerspruch aufgrund der sich wandelnden Zuständigkeiten bei irgendeinem Umzug verloren gegangen ist.

In solchen Momenten stehe ich immer vor einem moralischen Dilemma. Soll ich meine berechtigte Wut, an demjenigen auslassen, der gerade da ist, oder nicht? Der Mann vor mir war eigentlich sehr freundlich und ist nicht für die Inkompetenz seiner Kollegen verantwortlich. Allerdings macht er sich ja durch seine freiwillige Teilnahme an dieser Maschinerie von Inkompetenz und Menschenverachtung (wäre ich auf die Zahlungen angewiesen gewesen, wäre ich mittlerweile schon längst verhungert) in irgendeiner Form auch mitschuldig. Ich gehe im Kopf kurz meine Möglichkeiten durch und entscheide mich dann dafür, erst einmal ruhig zu bleiben. Der Mann sagt mir, ich solle meinen Widerspruch erneut einreichen und zwar am besten direkt bei ihm. Also begebe ich mich wieder nach Hause, um den Text erneut auszudrucken. Gleichzeitig schreibe ich ein neues Begleitschreiben, in dem ich mich über die schreiende Dummheit der Behörde beschwere. Außerdem nehme ich Kontakt zu einem Anwalt auf.

Einige Tage später: Ich treffe meine Anwältin, die sehr nett ist und mir in eigentlich allem, was ich so über die Agentur denke, recht gibt. Ich erfahre, daß für arme Schlucker wie mich das Armenrecht gilt. Das heißt, daß der Staat die Kosten für meinen anwältlichen Beistand übernimmt, wenn ich es mir selbst nicht leisten kann. Der Staat verklagt sich nun also quasi selbst. Der Gipfel der Absurdität. Und wo ich schon mal dabei bin, beauftrage ich meine Anwältin auch gleich damit, mal nachzufragen, wie es denn mit meinem Fahrtgeld aussieht. Die "Fortbildung" läuft schon seit zwei Monaten und bisher habe ich die Fahrkarten immer noch aus meiner eigenen Tasche bezahlen müssen, obwohl mir Fahrtkostenerstattung versprochen wurde.

Wiederum einige Tage später: Ich erhalte ein Schreiben von der Agentur, daß meine "Fortbildung" bewilligt wurde und die Fahrtkosten für die letzten Monate demnächst auf meinem Konto eingehen werden. Den Rest gibt es dann monatsweise immer kurz vor dem Monatsersten. Das Einschalten einer Anwältin hat sich also gelohnt. Interessant wäre es sicher gewesen, wenn die Agentur mit ihren langsam mahlenden Mühlen sich zu diesem Zeitpunkt entschieden hätte, die "Fortbildung" nicht zu genehmigen. Vermutlich wäre ich dann auf den Fahrtkosten ebenso sitzen geblieben wie der Kursleiter keinen müden Cent für die zwei Monate lang erbrachten Leistungen gesehen hätte. Oder noch schlimmer, ich hätte dies bezahlen müssen. Zuzutrauen wäre der Agentur auch eine solche Niederträchtigkeit ohne Weiteres.

Stand der Dinge: Meine Anwältin hat in der Zwischenzeit mehrere Fristen gestellt und versucht, telefonisch jemand Verantwortlichen zu erreichen - etwas, das überraschenderweise tatsächlich von Erfolg gekrönt war. Die Agenten haben die Fristen allerdings jedesmal bis zum letzten ausgereizt, so daß die Angelegenheit bis heute immer noch nicht vollständig geklärt ist. Man hat die Regeln etwas großzügig ausgelegt, so daß es so verhandelt wird, als hätte ich im Dezember einen neuen Antrag gestellt. Dieser wurde auch recht schnell bearbeitet, so daß ich bereits im Januar mein erstes Geld bekam - rückwirkend ab Dezember. Jetzt geht es allerdings immer noch um die Frage, ob mein erster Antrag durchkommt und ich eine Rückzahlung für die Monate Mai bis November bekomme. Etwas, das meine Eltern mit Freude herbeisehnen, weil ja sie in dieser Zeit weiter für meinen Unterhalt sorgen mußten, "damit ich nicht verhungern und obdachlos werden mußte, während eine Entscheidung getroffen wird", wie ich es in meinem letzten Schreiben an die Agentur formulierte. Der offensichtlich unrichtige Ablehnungsbescheid vom 21.6 2005 ist übrigens am 10.3. 2006 dann endlich zurückgenommen worden. Schnell, was?

All dies zeigt doch auf jeden Fall eines: Für die paar Euro ALG II muß man mindestens so viel Zeit und Nerven aufbringen, als würde man einer normalen Arbeit nachgehen. Wer da noch von Mitnahme-Mentalität spricht, ist vermutlich noch nicht selbst arbeitslos gewesen.


[Kreetrapper - 28.03.2006]