Blutbad im Kopf
Die allmontägliche Kolumne für die ganze Familie

Alles Bio, oder was?

Und wieder einmal gibt die mir kostenlos zur Verfügung gestellte Frankfurter Rundschau den Anlaß für eine Blutbad-Kolumne. Dies ist der Beginn eines Artikels aus dem Wirtschaftsteil der Ausgabe vom letzten Dienstag:

Erstmals wird sich mit der Rewe-Gruppe in Deutschland ein konventionelles Lebensmittelunternehmen an der Gründung einer Öko-Supermarkt-Kette als Mehrheitsgesellschafter beteiligen. Das erste Geschäft soll im Mai in Düsseldorf eröffnet werden.

(Für den Fall, daß die FR den Artikel irgendwann verschwinden läßt, findet sich dieselbe Meldung auch an vielen anderen Stellen im Web.)

Damit springt jetzt auch eine der größten Einzelhandelsketten auf den Biozug auf und bestätigt damit, was ich schon länger prophezeihe: Der Trend geht zu einer bewußteren Lebensführung.

Bis ins letzte Jahr hinein bin ich selbst dahingehend weitgehend unwissend gewesen. Als ökologische Alternative wirklich bewußt waren mir bis dato eigentlich nur die klassischen Reformhäuser und wirklich konsumiert habe ich dort auch nur die irgendwie interessante und faszinierende (und nebenbei auch noch leckere) Beinahe-Wurst (Selbstbezeichnung: vegetabile Pastete) von Tartex. Doch da sich in meinem Umfeld in letzter Zeit immer mehr Vegetarier, Veganer, Tierrechtler und ähnliche Gestalten ansammeln, war es wohl nur eine Frage der Zeit bis ich mich auch selbst in die Abgründe verantwortungsvollen Einkaufens begebe. Und zu meinem Erstaunen mußte ich feststellen, daß es mit dem europaweit einheitlichen Biosiegel (wieder eine positive Entwicklung, die wir der EU zu verdanken haben) inzwischen eine recht verbreitete Instanz gibt, die ein Mindestmaß an ökologischer Verantwortung seitens des Herstellers garantiert. Und das Ganze gibt es eben europaweit. Scheinbar gibt es das Biosiegel erst seit gut drei Jahren und der richtige Boom bei der Kennzeichnung setzte erst vorletztes Jahr ein. Inzwischen besitzen fast alle großen Supermarktketten eine eigene Biohandelsmarke. Bei REWE ist dies zum Beispiel Füllhorn. Alteingesessene Anbieter von ökologischen Produkten wie Demeter oder Rapunzel profitieren natürlich auch von dieser Öffnung der Märkte für ökologische Lebensmittel, vor kurzem habe ich zum Beispiel ganz in der Nähe gesehen, daß Rapunzel inzwischen sogar schon Plakatwerbung macht - wenn auch an einem nicht besonders guten Standort, aber immerhin.

Auch in anderen Bereichen ist ökologisches Bewußtsein auf dem Vormarsch. Beispielsweise gibt es inzwischen Bio-Hotels und dank der neuen Boomphase des Versandhandels durch die Allgegenwart des Internet kostet es auch nur noch geringste Mühe andere Bereiche seines Konsumentenlebens ethisch vertretbarer zu gestalten. Kosmetik (aber auch Shampoo, Seife und ähnlichen Krempel), die bei der Produktion nicht auf grausame Tierversuche setzt, gibt es zum Beispiel bei TOL. Und wer alles (Lebensmittel, Kosmetik, Windeln und was-weiß-ich-noch-alles) aus einer Hand möchte, für den gibt es Produkte für ein besseres Leben, eine Firma die für einen Freund von mir nahezu die einzige Einkaufsquelle ist.

Nun sind derartige Produkte und ihre obskuren Anbieter und Vertriebsmöglichkeiten dem durchschnittlichen Otto-Normalverbraucher natürlich erst einmal suspekt; besonders in der momentanen Stimmung, in der Geiz geil ist und das Motto vieler Menschen lautet: "Also ich geh immer beim Aldi, weil da is billich." Daher lag es für die Freunde ökologischer Produkte nahe, Spezialläden zu eröffnen, in denen man seinen kompletten Wocheneinkauf umweltverträglich gestalten konnte. Diese Ökosupermärkte scheinen sich überraschenderweise (aber natürlich auch erfreulicherweise) tatsächlich zu rentieren, weshalb man immer mehr davon sieht. Die beiden, die ich kenne sind der Bochumer Biokauf und Fruchtbare Erde in Eichlinghofen. Wer wie ich in Dortmund wohnt (und betrüblicherweise dürfte der Prozentsatz unter allen, die dies lesen, unangenehm nah bei 100 liegen), kann lokale Geschäfte über das Öko-Netzwerk Dortmund finden, das momentan leider noch etwas mager daherkommt. Deutschlandweit gibt es ebenfalls eine Bioladen-Suchmaschine und dem Artikel aus der FR entnehmen wir, daß es auch in diesem Gewerbe bereits größere Ketten gibt, die man bestenfalls in jeder größeren Stadt antreffen kann: nämlich Alnatura (laut FR der Marktführer) und Basic (laut FR ebenfalls einer der Branchenvorreiter). Und bald eben auch REWE.

Doch auch weniger positive Fakten, weiß die FR zu berichten: Acht Prozent der Kunden [von ökomärkten] sind für 60 Prozent des Umsatzes verantwortlich. Die Tatsache, daß ein Branchenriese wie REWE trotzdem ein solches Unternehmen angeht, zeigt allerdings, daß es hier noch sehr viel Potential für eine Verbesserung gibt. In der Tat steht nur wenige Zeilen weiter in der FR: So wollen nach einer aktuellen Umfrage 28 Prozent der Bevölkerung ihren Öko-Konsum kurzfristig und 42 Prozent mittelfristig steigern. Und dieses stärker werdende Umweltbewußtsein spiegelt sich auch in bereits bestehenden Ökosupermärkten wider. So trifft man beispielsweise in der Fruchtbaren Erde nicht nur das typische Reformhausklientel, sondern die ganze Bandbreite von Einkäufern, auch eher konventionelle Schichten wie Rentner. Es scheint fast so, als würde ein erheblicher Teil der Anwohner, die zuvor immer in dem Edeka eingekauft haben, der früher in diesen Räumlichkeiten war, einfach weiter hier einkaufen - auch wenn sich das Sortiment und auch das komplette Einkaufsgefühl radikal verändert haben. Besagtes andere Einkaufsgefühl resultiert sicher zu einem Gutteil auch darin, daß der Laden oft doch recht leer ist. Für viele Kunden ist der Preis eben immer noch das wichtigste Argument bei der Wahl der Einkaufsmöglichkeiten. Aber wir alle wissen ja, daß die Preise schnell zu einem Gutteil sinken werden, sobald der Umsatz mit diesen Produkten ansteigt. In einer idealen Welt würden die Bio-Lebensmittel die herkömmmlichen langsam aber sicher vollkommen aus dem Sortiment verdrängen. So weit wird es vermutlich nicht kommen, aber die Tage des Nischendaseins für diese Produkte ist längst vorbei.


[Kreetrapper - 28.02.2005]