Blutbad im Kopf
Die allmontägliche Kolumne für die ganze Familie
Freiheit statt Vollbeschäftigung
Das Problem der weitverbreiteten Arbeitslosigkeit ist zwar, wie letzte Woche festgestellt, bei weitem nicht das wichtigste, mit dem sich die Politik heute konfrontiert sieht. aber es ist mit Sicherheit das, welches momentan die meiste Spotlight-Time abbekommt. Inzwischen dürfte auch dem Dümmsten aufgefallen sein, daß den Politikern allerdings keine vernünftigen Lösungsansätze dazu einfallen. Selbst einem Grundschüler dürfte einleuchten, daß längere Arbeitszeiten nicht der richtige Weg sind, um mehr Menschen Arbeit zu verschaffen. Und fest darauf zu vertrauen, daß "die Wirtschaft" schon neue Arbeitsplätze schafft, wenn die Rahmenbedingungen nicht mehr so furchtbar sind, scheint auch bisher nicht so ganz optimal funktioniert zu haben.
Tatsache ist, daß die momentane Lage mit deutlich zu wenig Arbeit bzw. einem Überangebot an Arbeitswilligen den Unternehmen sehr unangenehme Vorteile bei den Verhandlungen über die Arbeitsbedingungen verschafft. Die klassische Argumentation läuft dann nach dem Motto "Wenn Du zu diesen Bedingungen nicht arbeiten willst, bitte. Da draußen stehen genügend andere Schlange, die Deinen Job wollen." Der neueste Geniestreich in dieser Richtung besteht darin, den Arbeitern Urlaubstage abzuziehen, wenn sie krank sind, was aber Gott sei Dank auf überraschend breite Ablehnung zu stoßen scheint. Gut so. Denn mal ganz davon abgesehen, daß derart schamlos ausgenutzte Arbeiter auf die ein oder andere Art eine tickende Zeitbombe darstellen, wird dadurch ein Verhalten gefördert, daß in nicht hundertprozentig gesunden Arbeitern resultiert, die sich um ihres Urlaubes willen trotzdem zur Schicht schleppen und da dann vermutlich andere anstecken oder Unfälle verursachen.
Nahezu alle gesellschaftlichen Diskussionen zum Thema Arbeit ignorieren allerdings die Tatsache, daß das Grundproblem viel tiefer anzusetzen ist. Die immer weiter fortschreitende Automatisierung (dank VoIP werden inzwischen sogar schon klassische "Dienstleistungen" wie Werbeanrufe z.T. automatisch abgewickelt) führt dazu, daß immer weniger Menschen zum Arbeiten gebraucht werden. Stefan Wirner von Jungle World formuliert das in einem Tagesschau-Online-Interview so:
Bei der WASG und der PDS wird immer so getan, als gäbe es immer noch genug Arbeit für alle, wenn man diese nur ein bisschen umverteilen würde. Dies ist eine alte sozialdemokratische Vorstellung, bei der man fragen muss, ob das die Realität trifft. Das Problem der Arbeitslosigkeit hat sich durch aktuelle Entwicklungen des Kapitalismus - also durch Rationalisierung, Modernisierung und Globalisierung - doch auf einer ganz anderen Ebene verschärft. Was Oskar Lafontaine sagt, klingt ein wenig nach Trick 17: Man muss nur die Nachfrage steigern und den Binnenmarkt ankurbeln, dann läuft wieder alles wie geschmiert. Da habe ich doch große Zweifel dran.
Zumindest auf die PDS trifft dieser Vorwurf nur bedingt zu, da z.B. die stellvertretende Parteivorsitzende der PDS, Katja Kipping, in der letzten Ausgabe der Monatszeitschrift Utopie kreativ einen Text zur Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens veröffentlicht hat, der auch auf ihrer (ziemlich bandbreitenintensiv designten) Webseite nazulesen ist (und zwar hier).
Aber die vielleicht emsigsten Vertreter dieser Idee finden sich momentan tatsächlich noch außerhalb der etablierten Parteien. Es ist dies die Initiative Freiheit statt Vollbeschäftigung, die seit einiger Zeit unermüdlich durch die Republik tourt, um ihre Idee unter die Leute zu bringen, und deren Namen ich schamlos für den Titel dieser Kolumne geklaut habe. Einer der nächsten öffentlichen Auftritte wird am Freitag Nachmittag hier in Dortmund sein (14.00 Uhr, Reinoldikirchplatz), wo man die Möglichkeit bekommt, die Ideen direkt mit den Leuten (und auch dem Autor dieser Zeilen) zu diskutieren.
In aller Ausführlichkeit finden sich die Thesen der Initiative auf ihrer Webseite, hier daher nur eine Kurzversion:
Solidarität und Gerechtigkeit gebieten es, alle Bürger am Wohlstand unseres Landes teilhaben zu lassen; insbesondere da dieser Wohlstand im wesentlichen den Erfindungen und Leistungen vergangener Generationen zu verdanken ist.
Aufgrund steigender Automatisierung wird der Zustand der Vollbeschäftigung nie wieder zu erreichen sein.
Es muß daher ein Umdenken in der Gesellschaft stattfinden, damit der Wert eines Menschen nicht länger dadurch bestimmt wird, ob er einer Arbeit nachgeht oder nicht. Wir müssen uns darauf zurückbesinnen, daß Arbeit ursprünglich nur ein Mittel war und kein Zweck an sich.
Daher muß es ein bedingungsloses Grundeinkommen* für alle Bürger geben. Dieses würde dann alle jetztigen Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Kindergeld oder BaFöG ersetzen.
Das würde dazu führen, daß die Arbeitnehmerseite gegenüber den Unternehmen erheblich gestärkt würde. Niemand müßte mehr eine Arbeit annehmen, nur damit er sich Essen kaufen kann.
Es würde natürlich weiter normale Arbeit geben, da das bedingungslose Grundeinkommen zwar genug ist, um annehmbar zu leben, aber nicht genug, um sich all die Sachen zu leisten, die man gern hätte; z.B. schnelle Autos oder Urlaubsreisen.
Höchstwahrscheinlich würde die Einführung dieses Systems nicht nur die Automatisierung vorantreiben, die dann nicht mehr moralisch verwerflich wäre, sondern auch dazu führen, daß die schäbigen Arbeiten, die niemand gern machen möchte, entsprechend besser bezahlt werden.
Ein Schwachpunkt ist meiner Meinung nach die Finanzierung der Sache. Ein fähiger Volkswirtschaftler müßte einmal ausrechnen, wie groß das Defizit ist, wenn man jedem Bürger z.B. 1000 Euro im Monat (ein erster Vorschlag von Frau Kipping) zahlt und dafür alle anderen Sozialleistungen und einen Großteil der damit einhergehenden bürokratischen Strukturen (womöglich auch das Arbeitsministerium) einspart. Wenn die Arbeitslosenzahlen weiterhin so stark ansteigen, dürfte der Break-Even-Point allerdings aller Voraussicht bald erreicht sein.
Alles in allem halte ich das ganze für eine wunderbare Idee, die bei weitem nicht so utopisch ist, wie man denkt. Zumindest eine ausgiebige öffentliche Diskussion sollte das doch wert sein.
* Ein sehr uneleganter Name, wie ich finde. Sehr viel schöner und ebenso treffend wäre z.B. der Begriff Bürgergeld, der ja sowieso bereits die Runde macht.
[Kreetrapper - 20.06.2005]
Tatsache ist, daß die momentane Lage mit deutlich zu wenig Arbeit bzw. einem Überangebot an Arbeitswilligen den Unternehmen sehr unangenehme Vorteile bei den Verhandlungen über die Arbeitsbedingungen verschafft. Die klassische Argumentation läuft dann nach dem Motto "Wenn Du zu diesen Bedingungen nicht arbeiten willst, bitte. Da draußen stehen genügend andere Schlange, die Deinen Job wollen." Der neueste Geniestreich in dieser Richtung besteht darin, den Arbeitern Urlaubstage abzuziehen, wenn sie krank sind, was aber Gott sei Dank auf überraschend breite Ablehnung zu stoßen scheint. Gut so. Denn mal ganz davon abgesehen, daß derart schamlos ausgenutzte Arbeiter auf die ein oder andere Art eine tickende Zeitbombe darstellen, wird dadurch ein Verhalten gefördert, daß in nicht hundertprozentig gesunden Arbeitern resultiert, die sich um ihres Urlaubes willen trotzdem zur Schicht schleppen und da dann vermutlich andere anstecken oder Unfälle verursachen.
Nahezu alle gesellschaftlichen Diskussionen zum Thema Arbeit ignorieren allerdings die Tatsache, daß das Grundproblem viel tiefer anzusetzen ist. Die immer weiter fortschreitende Automatisierung (dank VoIP werden inzwischen sogar schon klassische "Dienstleistungen" wie Werbeanrufe z.T. automatisch abgewickelt) führt dazu, daß immer weniger Menschen zum Arbeiten gebraucht werden. Stefan Wirner von Jungle World formuliert das in einem Tagesschau-Online-Interview so:
Bei der WASG und der PDS wird immer so getan, als gäbe es immer noch genug Arbeit für alle, wenn man diese nur ein bisschen umverteilen würde. Dies ist eine alte sozialdemokratische Vorstellung, bei der man fragen muss, ob das die Realität trifft. Das Problem der Arbeitslosigkeit hat sich durch aktuelle Entwicklungen des Kapitalismus - also durch Rationalisierung, Modernisierung und Globalisierung - doch auf einer ganz anderen Ebene verschärft. Was Oskar Lafontaine sagt, klingt ein wenig nach Trick 17: Man muss nur die Nachfrage steigern und den Binnenmarkt ankurbeln, dann läuft wieder alles wie geschmiert. Da habe ich doch große Zweifel dran.
Zumindest auf die PDS trifft dieser Vorwurf nur bedingt zu, da z.B. die stellvertretende Parteivorsitzende der PDS, Katja Kipping, in der letzten Ausgabe der Monatszeitschrift Utopie kreativ einen Text zur Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens veröffentlicht hat, der auch auf ihrer (ziemlich bandbreitenintensiv designten) Webseite nazulesen ist (und zwar hier).
Aber die vielleicht emsigsten Vertreter dieser Idee finden sich momentan tatsächlich noch außerhalb der etablierten Parteien. Es ist dies die Initiative Freiheit statt Vollbeschäftigung, die seit einiger Zeit unermüdlich durch die Republik tourt, um ihre Idee unter die Leute zu bringen, und deren Namen ich schamlos für den Titel dieser Kolumne geklaut habe. Einer der nächsten öffentlichen Auftritte wird am Freitag Nachmittag hier in Dortmund sein (14.00 Uhr, Reinoldikirchplatz), wo man die Möglichkeit bekommt, die Ideen direkt mit den Leuten (und auch dem Autor dieser Zeilen) zu diskutieren.
In aller Ausführlichkeit finden sich die Thesen der Initiative auf ihrer Webseite, hier daher nur eine Kurzversion:
Solidarität und Gerechtigkeit gebieten es, alle Bürger am Wohlstand unseres Landes teilhaben zu lassen; insbesondere da dieser Wohlstand im wesentlichen den Erfindungen und Leistungen vergangener Generationen zu verdanken ist.
Aufgrund steigender Automatisierung wird der Zustand der Vollbeschäftigung nie wieder zu erreichen sein.
Es muß daher ein Umdenken in der Gesellschaft stattfinden, damit der Wert eines Menschen nicht länger dadurch bestimmt wird, ob er einer Arbeit nachgeht oder nicht. Wir müssen uns darauf zurückbesinnen, daß Arbeit ursprünglich nur ein Mittel war und kein Zweck an sich.
Daher muß es ein bedingungsloses Grundeinkommen* für alle Bürger geben. Dieses würde dann alle jetztigen Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Kindergeld oder BaFöG ersetzen.
Das würde dazu führen, daß die Arbeitnehmerseite gegenüber den Unternehmen erheblich gestärkt würde. Niemand müßte mehr eine Arbeit annehmen, nur damit er sich Essen kaufen kann.
Es würde natürlich weiter normale Arbeit geben, da das bedingungslose Grundeinkommen zwar genug ist, um annehmbar zu leben, aber nicht genug, um sich all die Sachen zu leisten, die man gern hätte; z.B. schnelle Autos oder Urlaubsreisen.
Höchstwahrscheinlich würde die Einführung dieses Systems nicht nur die Automatisierung vorantreiben, die dann nicht mehr moralisch verwerflich wäre, sondern auch dazu führen, daß die schäbigen Arbeiten, die niemand gern machen möchte, entsprechend besser bezahlt werden.
Ein Schwachpunkt ist meiner Meinung nach die Finanzierung der Sache. Ein fähiger Volkswirtschaftler müßte einmal ausrechnen, wie groß das Defizit ist, wenn man jedem Bürger z.B. 1000 Euro im Monat (ein erster Vorschlag von Frau Kipping) zahlt und dafür alle anderen Sozialleistungen und einen Großteil der damit einhergehenden bürokratischen Strukturen (womöglich auch das Arbeitsministerium) einspart. Wenn die Arbeitslosenzahlen weiterhin so stark ansteigen, dürfte der Break-Even-Point allerdings aller Voraussicht bald erreicht sein.
Alles in allem halte ich das ganze für eine wunderbare Idee, die bei weitem nicht so utopisch ist, wie man denkt. Zumindest eine ausgiebige öffentliche Diskussion sollte das doch wert sein.
* Ein sehr uneleganter Name, wie ich finde. Sehr viel schöner und ebenso treffend wäre z.B. der Begriff Bürgergeld, der ja sowieso bereits die Runde macht.
[Kreetrapper - 20.06.2005]