Blutbad im Kopf
Die allmontägliche Kolumne für die ganze Familie

Vertrauen ist gut. Wir nicht.

Wer der Polizei oder ähnlichen Organisationen nicht alle seine Daten zugänglich macht, hat etwas zu verbergen.
Wer etwas zu verbergen hat, ist vermutlich ein Terrorist oder irgendein anderer Verbrecher (womöglich gar einer dieser gefürchteten Raubkopierer, die man zurecht zu den Vergewaltigern und Kinderschändern steckt).
Ergo: Datenschützer sind Verbrecher.

Daher ist mein Vorschlag, alle sogenannten Datenschutzbeauftragten (Ich habe niemanden beauftragt. Sie vielleicht?) und selbsternannten Datenschützer als Terrorverdächtige und Vaterlandsverräter einzusperren und alle Daten freizugeben. Information wants to be free. Mit "frei" ist hier natürlich nicht gemeint, daß jeder Hinz und Kunz Zugriff auf alle Informationen hat. Diese Wahnsinnsidee wird ja zur Zeit von einigen zu spät gekommenen Hippies öffentlich vertreten. So ist dieser Vorschlag natürlich nicht gemeint. Es gibt schließlich genügend Informationen, wie beispielsweise den Quellcode des überragenden Microsoft-Betriebssystems, die als Geschäftsgeheimnisse von der Regierung um jeden Preis geschützt werden müssen. Ebensolches gilt selbstverständlich für geistiges Eigentum wie Bücher, Musik, aber vor allem natürlich Filme. Hier ist ja schon seit Jahren ein eklatantes Unrechtsbewußtsein unter den Konsumenten zu beobachten, die tatsächlich der Illusion erlegen sind, sie könnten mit den von ihnen erworbenen Medien machen, was sie wollen. Dabei leuchtet doch jedem intuitiv ein, daß man mit seinem Geld nicht die neueste Schnappi-CD kauft, sondern lediglich ein eingeschränktes Nutzungsrecht. Inzwischen ist die Technik glücklicherweise endlich so weit fortgeschritten, daß dieser Irrtum auf technologischem Wege korrigiert werden kann. Mit der Einführung von Digital Rights Management, kann dem Kunden der große Zusammenhang endlich deutlich gemacht werden, indem die technischen Möglichkeiten ihm zeigen, wann, wo und wie oft er zum Beispiel ein heruntergeladenes Lied hören darf.

Aber zurück zum Thema: Da die Regierung ja nur unser aller Wohl im Auge hat (Vor kurzem gab es erst wieder eine ordentliche Steuererleichterung. Wie, für Sie nicht? Dann verdienen Sie vielleicht nicht genug und sind daher kein wirklich wichtiges Mitglied der Gesellschaft), ist es nur recht und billig, daß sie alles über ihre Bürger weiß. Vor allem in diesem unsicheren Klima des Terrorismus. Seien Sie ehrlich: Wollen Sie, daß das nächste Passagierflugzeug in den RWE-Tower fliegt? Leider ist die Bundesregierung in dieser Hinsicht mal wieder nicht gerade die schnellste. Die Amerikaner sind natürlich auch hier die Vorreiter. Nach den riesigen Erfolgen, die der erste Patriot-Act erzielt hat (oder haben Sie etwa von terroristischen Anschlägen in Amerika nach seinem Inkrafttreten gehört?), hat man dort inzwischen ein Nachfolgegesetz verabschiedet: den PATRIOT Act II. Kein sehr einfallsreicher Name, aber dafür vermutlich wieder sehr effektiv. Zum Beispiel können jetzt verdächtige nicht-amerikanische Anwohner abgeschoben werden. Außerdem wird hilfreichen Bürgerspionen Immunität garantiert, um sie zu couragierterem Eingreifen zu bewegen. Angeregt von der Effektivität der amerikanischen Gesetzgebung sind auch die Briten gerade dabei, eine sogenannte "Terror Prevention Bill" auszuarbeiten. Und das beste daran ist, daß die britische Bevölkerung uneingeschränkt dahinter steht, daß der überaltete römische Charakter des Rechts endlich reformiert wird.

Auf die Frage des Meinungsforschungsinstituts "YouGov", ob sie zustimmten, daß es manchmal nötig sein könne, "gegen Leute vorzugehen, die noch keine Straftat begangen haben, über die aber genügend Indizien vorliegen, daß sie terroristische Akte planen", antworteten 75 Prozent der Befragten mit Ja.

In diesem ct-Bericht spricht sich auch ein ehemaliger NSA-Mitarbeiter für die völlige Befreiung personenbezogener Daten aus. Denn wer mit offenen Augen durch die Welt geht, merkt schnell, daß man all seine Daten ja liebend gern herumreicht, wenn man damit eine schnelle Mark machen kann. Zwei Alltagsbeispiele:
  • Als ich vor einem halben Jahr die neueste Eminem-CD kaufte, fragte mich die freundliche Saturn-Verkäuferin nach meiner Postleitzahl. Auf die Gegenfrage "Warum?", murmelte sie nur etwas von "Statistik".
  • Im selben Haus, wie der Arzt, den ich Anfang des Jahres aufsuchte, ist ein Kaufland. Aus praktischen Erwägungen habe ich daher dort einige Male eingekauft und jedes Mal schaute die Kassiererin krampfhaft auf die Unterseite meines Einkaufswagens. Es stellte sich heraus, daß sie die Nummer des Wagens in Erfahrung bringen wollte. Die naheliegende Vermutung ist, daß die eingekauften Dinge mit dem Wagen und letzendlich mit den Bewegungen des Kunden im Supermarkt in Verbindung gebracht werden sollen.
Warum sollte man also dieselben Daten, die ja sowieso erhoben werden, dann nicht auch den Regierungsbehörden zugänglich machen? Das ganze müßte dann natürlich generalstabsmäßig ausgewertet werden, damit auch keine wichtigen Informationen verloren gehen. Jeder, der sich zu lange im Heimwerkerbereich aufhält, ist schließlich ein potentieller bombenbauender Terrorist. Dabei fällt mir ein, daß ich vor nicht allzu langer Zeit zwei CDs des terrorverdächtigen Musikers Yusuf Islam gekauft habe. Und das auch noch vor den Augen der Öffentlichkeit bei eBay. Ich muß also dringend in ein Land auswandern, das nicht ausliefert. Am besten noch heute.


[Kreetrapper - 07.03.2005]