Blutbad im Kopf
Die allmontägliche Kolumne für die ganze Familie

Privatbesitz - Betreten verboten!

Eine der Topmeldungen an diesem Wochende war (neben der unsäglichen Osthoff-Geschichte) der Verkauf einer Uni-Klinik an private Investoren.

Das Rhön-Klinikum werde 95 Prozent der Anteile des Landes an den Universitätskliniken Gießen und Marburg [...] erwerben[...] Fünf Prozent will die öffentliche Hand zum Schutz von Forschung und Lehre behalten.

Dies ist ein gefährlicher Präzedenzfall, zu dem es, frei nach dem Motto "Wehret den Anfängen", nie hätte kommen dürfen. "Privatisierung" ist in den letzten Jahren und vielleicht schon Jahrzehnten mehr und mehr zu einem dieser alle glücklich machenden Zauberworte geworden. So ähnlich wie "Internet" oder "digital", wenn eines dieser Worte fällt, weiß man gleich, "das muß was Gutes sein". Und daß die CDU-geführte Landesregierung ernsthaft glaubt, mit einem Minianteil von fünf Prozent noch entscheidend mitreden zu können ist vielleicht ein gutes Zeichen dafür, daß hier die Falschen in so verantwortungsvollen Positionen sitzen.

Und was sagt die Opposition dazu? Die sind doch bestimmt vernünftiger.

Die Kritiker der Privatisierung der Universitätklinik Gießen und Marburg bleiben bei ihren Bedenken. SPD, Grüne und die Gewerkschaft Ver.di sahen am Samstag vor allem Gefahren für die Arbeitsplätze der Klinik-Mitarbeiter.

Und mal wieder geht es um die sakrosankten Arbeitsplätze. Offenkundig das wertvollste Gut, das es in deutschen Landen zu geben scheint. Wenn das so weiter geht, kann es nicht mehr lange dauern, bis jemandem auffällt, wieviele erstklassige Arbeitsplätze Deutschland dadurch durch die Lappen gehen, daß die CIA nur im Nahen Osten foltern läßt. Dies ist vielleicht ein gute Zeitpunkt, um ein Zitat von Bertrand Russell anzubringen:

"Ich glaube, dass auf der Welt viel zu viel gearbeitet wird
und dass unermesslicher Schaden hervorgerufen wird durch
die Überzeugung, Arbeit sei etwas Heiliges und Tugendhaftes."

Doch zurück zum Thema. Ein sehr sehr kleiner Satz zeigt dann doch, daß die Opposition das eigentliche Problem zumindest eingermaßen im Blick behalten hat.

SPD und Grünen haben zudem Zweifel, ob die Freiheit von Forschung und Lehre gesichert ist.

Dies führt zum Kern des Problems. Privatisierung um jeden Preis ist eine schlechte Sache. Einige Institutionen sollten einfach nicht in die Hände der Privatwirtschaft geraten. Denn spätestens seit einigen Jahren ist ja doch wohl auch dem Dümmsten klar geworden, daß eben jene Privatwirtschaft zumeist nur eins im Auge hat: Wie kann ich den dicksten Gewinn einstreichen? Auf neudeutsch heißt dieses Konzept "Shareholder Value" und dessen Vormarsch ist inzwischen so stark, daß langfristige Strategien oft zugunsten der "schnellen Mark" (Schade, daß einige Redewendungen mit der Währung zusammen wegstarben) verworfen werden. Und gerade die öffentliche Forschung an Universitäten darf nicht mit derartiger Kurzsichtigkeit betrieben werden. Und seien wir doch einmal ehrlich. Wo sind denn die positiven Effekte, die die Privatisierung der Bahn oder der Post hatten? Unprofitable Strecken werden nicht mehr befahren; die Dichte an Postämtern (oder heißen die jetzt Filialen?) nimmt stetig ab. Wo ist der Vorteil für den Bürger, der jahrzehntelang den Aufbau dieser Unternehmen mit Steuergeldern bezahlt hat?

Ich sage jedenfalls, daß das Hals-über-Kopf-und-um-jeden-Preis-Privatisieren eine schlechte Idee ist. Es ist ja auch nicht wirklich erwiesen, daß Privatunternehmen immer besonders clever geführt werden, man denke nur an Karstadt-Quelle oder all die Unternehmen, die der Altkanzler seinerzeit eigenhändig retten mußte. Und einiges ist in der öffentlich Hand wirklich besser aufgehoben. Eine Meinung, die vermutlich spätestens dann populär wird, wenn das erste Gefängnis privatisiert wird.


[Kreetrapper - 19.12.2005]