Blutbad im Kopf
Die allmontägliche Kolumne für die ganze Familie

Das Diktat der Arbeit

"Über allem steht die bedrückende Zahl von fünf Millionen Arbeitslosen. Deshalb brauchen wir keine Agenda 2010 mehr, so richtig Schritte von ihr waren. Wir brauchen eine Agenda Arbeit" (Angela Merkel)

Und die gute Frau, die immer wieder den Beweis anzutreten versucht, daß die Wiedervereinigung doch nicht so eine gute Idee war, ist beileibe nicht die einzige, von der man in letzter Zeit solche Töne hört. Arbeitsplätze sind das Credo dem sich alle anderen Politikfelder unterzuordnen haben. Das ist natürlich großer Quatsch. Greifen wir uns einfach mal ein Politikfeld heraus und fragen wir uns: Waren die Arbeiter in Tschernobyl wirklich froh, daß sie wenigstens Arbeit hatten? Ist uns Arbeit wichtiger als Trinkwasser? Wichtiger als Atemluft ohne Feinstaubemissionen? Wichtiger als die Ozonschicht, als die Atmosphäre? Nicht einmal Frau Merkel kann so dumm sein, auch nur eine dieser Fragen mit "Ja" zu beantworten. Deshalb ist es auch eine so große Dummheit von ihr marktschreierisch nur das zu verkünden, was die Leute hören wollen. Oder vielleicht besser: Was man denkt, das die Leute hören wollen.

Nehmen wir den Sektor Bildung. Man könnte all die Milliarden, die an Universitäten und Schulen dringend vonnöten wären, auch in die (vermeintliche) Schaffung neuer Arbeitsplätze stecken, indem man beispielsweise der Deutschen Bank die Steuern erläßt. Halt, warte mal. Das hatte die Regierung ja schon versucht. Und wieviele Arbeitsplätze hat die Deutsche Bank zum Dank für die Steuererleichterung noch mal geschaffen? Ach ja, richtig. Die Zahl ging in die Tausende. Schade nur, daß sie negativ war. Wie es scheint, lernen aber weder Regierung noch Opposition aus diesen bereits zur Genüge gemachten Fehlern.

Das billige Versprechen von mehr Arbeitsplätzen scheint immer noch für einen schnellen Wahlsieg gut zu sein. Auch wenn die Ossi-Frau mit der lustigen Frisur natürlich keinen einzigen Vorschlag auf den Tisch bringt, wo die ganze Arbeit herkommen soll. Man sieht ja wohin das alles vermutlich führen wird, wenn man sich den nordrhein-westfälischen Kollegen Rüttgers anhört, der zwar mehr Arbeit für alle verspricht, aber im gleichen Atemzug Stellen im öffentlichen Dienst und im Steinkohleabbau streichen will (so richtig und dringend notwendig letzteres auch sein mag).

Der Wahlkampf ist noch lang - besonders, wenn irgendetwas bei der Vertrauensfrage schief läuft und die Wahl doch erst im Herbst 2006 kommt. Wir dürfen uns also noch auf einige hohle Phrasen einstellen, in denen dem heiligen Arbeitsplatz alle anderen Dinge untergeordnet werden. Hauptsache es bringt ein paar Prozentpunkte mehr in den Umfragen.

Ein letzter Gedanke noch. Viele, die immer noch der arbeitenden Bevölkerung angehören, sind zwar froh, daß sie nicht arbeitslos und damit dem Staat auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind, sehen aber in der Arbeit auch nicht unbedingt ihre Erfüllung und den wahren und einzigen Sinn ihres Lebens. Oft ist Arbeit nur ein notwendiges Übel, weil ja irgendwie das Geld hereinkommen muß für das eigentliche Leben. Die Freizeit. Das ist allerdings ein ganz anderes, deutlich tiefgreifenderes Problem, auf das aller Voraussicht nach in der nächsten Kolumne ausführlicher eingegangen wird.


[Kreetrapper - 15.06.2005]