Blutbad im Kopf
Die allmontägliche Kolumne für die ganze Familie

Besuch von drüben

In dieser Woche ist es endlich soweit. Unser transatlantischer Bündnispartner ist auf Europatournee und stattet dabei auch der Kulturmetropole Mainz (Heimat der Mainzelmännchen) einen Besuch ab. Nie waren die transatlantischen Beziehungen gespannter als heuer - zumindest die zwischen den USA und dem, was wir liebevoll das "alte Europa" nennen. Das ist schon länger so, schwappt aber aufgrund des präsidialen Besuches in dieser Woche (und vielleicht auch, weil Robert Hoyzer inzwischen alles, aber auch wirklich alles ausgepackt hat) wieder vermehrt an die Oberfläche. Der Blätterwald rauscht, was man zum Beispiel sehr schön an der Presseschau von europa-digital.de vom heutigen Montag sehen kann. Auf deren Homepage findet sich sogar ein Dossier zum Thema; und es ist beileibe nicht das einzige, das man im Netz finden kann. Ich habe zwar nicht all diese Berichte gelesen, aber es kristallisiert sich doch heraus, daß beide Seiten sehr darauf bedacht sind, besonders nett zueinander zu sein, um zu retten, was noch zu retten ist. Das mag auch der Grund für das sein, über dessen extreme Abstrusität ich mich heute auslassen möchte: Die sicherheitsvorkehrungen, die zum Schutze des hohen Besuches getroffen werden. Jetzt scheint es sich auszuzahlen, daß ich mir ein Probeabo der einzigen überregionalen Zeitung, die sich nur für Frankfurt und Umgebung zuständig fühlt, habe aufschwatzen lassen, denn natürlich wird in der Frankfurter Rundschau besonders exzessiv über diesen Besuch berichtet. Für diejenigen, die es nicht in den Medien verfolgt haben, zitiere ich ein wenig aus einem Post von A Fistful Of Euros:

All schools will remain closed on Febuary 23 and there will likely be immense delays to public and private transportation. Again according to Spiegel Online, many of the city's businesses have scheduled a day off because it will prove almost impossible for clients and employees to get into the city. Four highways will be closed around Frankfurt International Airport and Mainz, river and private air traffic suspended; fighter jets will patrol the area. People living in a closer perimeter around the meeting area in an inner city castle will apparently only be allowed into their apartments after identity controls performed by American officials. Some inhabitants have allegedly been asked to keep their blinds shut during the visit, others had their flower pots removed from their balconies.

...

I have the odd feeling that the extreme security measures described above are both conducive to and an expression of the kind of 'reality-void' decision making style apparently practiced by this administration, according to an ever growing number of direct an indirect witnesses.


Ein Kommentar zu diesem Artikel bewertet die Maßnahmen so:

The goal here is for Bush, and by extension, the American people to tell the world just how much longer their penises are than anyone else's, nothing else.

Das ist natürlich übertrieben - ich persönlich vermute eher eine Mischung aus Furcht und Größenwahn als Grund -, zeigt aber deutlich auf, was für Probleme mit solchen Maßnahmen einhergehen. Das soll heißen: Bush mag noch so freundliche Worte für uns Europäer finden, solange dem keine ebenso freundlichen Taten folgen, wird das die öffentliche Meinung kaum zu seinen Gunsten wenden. Und Berichten zufolge wird es vermutlich im wesentlichen auch erst einmal bei den freundlichen Worten bleiben. So kann man zum Beispiel bei der FAZ, aber auch anderswo, lesen, daß in der momentan dringendsten Frage - nämlich der Iran-Politik - von Annäherung zwischen den Welten nicht die Rede sein kann.

Völlige Aussöhnung scheint also in weiter Ferne und ein derart übertriebener Auftritt in Mainz dient nicht gerade dazu, Sympathien zu wecken. Die Schüler mögen sich ja über den zusätzlichen Ferientag freuen, aber deren Eltern schon weniger. Und erst einmal all die Menschen, die nicht oder nur mit enormen Verspätungen zur Arbeit gehen können. In der FR war heute eine seitengroße Anzeige der Bahn, die schon mal im voraus für Verspätungen um Verständnis bittet - ein Verhalten, das wir von dieser Seite nicht gewohnt sind. Es werden also vermutlich inmmense Verspätungen sein.

Ich kann die Furcht des Präsidenten verstehen. In seiner ersten Amtszeit hat er sich eine Unmenge von Feinden gemacht, aber hier wird nun wirklich über das Ziel hinausgeschossen - und zwar meilenweit. Einige Leserbriefe in der FR malen schon Horrorszenarien aus: Was passiert, wenn ein Feuer ausbricht? Wie soll die Feuerwehr schnell genug an all den Straßensperren vorbeikommen? Und müßten nicht eigentlich alle Feuerwehrmänner durchsucht werden, bevor sie die Sperrzone zum Löschen betreten dürfen. Ähnliches gilt für medizinische Notfälle. Und was passiert mit Bürgern, die allen Empfehlungen zum Trotz doch ganz gern ihre Häuser verlassen möchten? Steht das FBI mit Scharfschützen bereit um sich um solche potentiellen Bedrohungen zu kümmern?

Man muß sich hier einfach mal die Verhältnisse klar machen. Ein solcher Sicherheitsaufwand klingt eher nach einem Monarchen oder Diktatoren aber kaum nach dem Oberhaupt einer Demokratie. Die Idee bei dieser Staatsform liegt doch darin, daß Angehörige der Regierung eben gerade nichts besseres sind als der gewöhnliche Bürger. Diese Grundidee wird hier ad absurdum geführt. Tausende von Menschen werden bestenfalls behindert und schlimmstenfalls ihrer Bewegungsfreiheit beraubt, nur damit eine Handvoll Politiker sich vor den Fotografen die Händer schütteln können. Und angesichts der momentanen Sparreformen der Bundesregierung muß man sich auch fragen, welche immensen Kosten dieser ganze Zirkus hat. Wenn der US-Präsident wirklich so um seine Sicherheit fürchtet wäre er wohl besser zuhause geblieben.


[Kreetrapper - 21.02.2005]