Blutbad im Kopf
Die allmontägliche Kolumne für die ganze Familie

Willkommen in der Zukunft

2005 ist endlich vorbei. Und es war nicht gerade der besten Jahre eines. Das begann schon im Januar damit, daß der American Idiot eine zweite Amtszeit bekam. Diesmal scheinbar sogar mit der Mehrzahl der Stimmen.

Dann starb der Papst - und die papstlose Zeit hätte, wie es Wiglaf Droste im Scheibenwischer neulich so treffend formulierte, ruhig noch etwas länger andauern können, "so ein bis drei Jahrhunderte". Aber stattdessen hat man dann doch lieber einen neuen gewählt, und das vielleicht Schlimmste: Alle Welt hat eine Party deswegen gefeiert. Bis in den Sommer hinein. Und sogar im angeblich aufgeklärten Westeuropa.

Auch politisch lief einiges schief. Die nicht besonders gute rot-grüne Regierung wurde durch eine noch deutlich schlechtere schwarz-rote abgelöst (und hier in NRW sogar durch schwarz-gelb - etwas worüber sich nicht einmal die Dortmunder so recht freuen können), die noch nicht einmal den Anspruch hat, irgendwas besser zu machen, sondern das "irgendwie weiterwurschteln" zum Regierungsprinzip erklärt hat.

In Frankreich und Nordafrika ist es zu ersten Unruhen im Kampf Arm gegen Reich gekommen. Und als Reaktion hat man nicht die Ursachen angepackt, sondern lieber mit superior force ordentlich draufgeknüppelt. Und das Schlimmste hieran: Der widerwärtige französische Innenminister, der den ganzen "Abschaum" am liebsten "wegkärchern" würde, wird für dieses Vorgehen mit steigenden Popularitätswerten belohnt. Der neue deutsche Innenminister hat sich da gleich mal ein Beispiel genommen und möchte in diesem Jahr Panzer gegen randalierende Fußballfans einsetzen. Da muß einem doch Angst und Bange werden.

Die letzten paar Jahre mit ihren "terroristischen Bedrohungen", dem gnadenlosen Beschneiden von Menschenrechten als Reaktion darauf und dem immer wilder wuchernden Kapitalismus haben 2005 ihren bisherigen Höhepunkt gefunden und es würde mich nicht wundern, wenn es in der Richtung weiterginge. Solange es nicht zu Aufständen und bürgerkriegsartigen Zuständen kommt. Frankreich lebte es vor.

Aber das neue Jahr ist erst wenige Stunden alt und man sollte so jungen Dingen, ja grundsätzlich erst einmal positiv gegenüber stehen. Daher bietet das Blutbad ein paar Zukunftsvisionen an, die zumindest dem Autor dieser Zeilen das ein oder andere Lächeln auf's Gesicht zaubern. Let's roll!



Der SPD fällt plötzlich wieder ein, daß sie ja eigentlich sozialdemokratische Politik machen müßte. Dies führt zum Bruch der Großen Koalition - in den Augen vieler sowieso nur eine Übergangsregierung - und der geschundene Bundeshorst muß schon wieder den Bundestag auflösen und Neuwahlen anordnen. Den Job hatte er sich auch einfacher vorgestellt. An den Mehrheitsverhätnissen ändert sich kaum etwas - Gerhard Schröder hat sich - gegen ein geringes Entgelt - bereit erklärt, den SPD-Wahlkampf noch ein letztes Mal zu leiten und so kann seine Partei das starke Vorjahresergebnis auf glatte 36 Prozent verbessern, wohingegen die Union nur auf 34 Prozent kommt. In den anschließenden Koalitionsverhandlungen besinnen sich endlich genügend Menschen auf die linke Mehrheit im Parlament und formen eine rot-rot-grüne Regierung.



In Frankreich sind Wahlen. Der aussichtsreiche Kandidat, der jetztige Innenminister Sarkozy, wird in einen Skandal verwickelt. Offenbar hat er von der Firma Kärcher unverschämt große Summen erhalten. Da Chirac nicht mehr antreten will, kommt auch hier eine linke Regierung an die Macht, die als ihre erste große Aufgabe die Verbesserung der Lebensverhältnisse in den Banlieues angeht.



Der amerikanische Präsident erzählt weiterhin jedem, der nicht schnell genug davonläuft, daß der Einmarsch im Irak eine gute Idee war und die Truppen jetzt jeden Moment wieder nach Hause geholt werden können. Währenddessen ist die Opposition auf die gute Idee gekommen, daß ein völkerrechtswidriger Krieg, der das Staatsdefizit in neue Rekordhöhen getrieben hat, doch eigentlich als Grund für ein Amtsenthebungsverfahren gut genug sein sollte, und sofort wird ein solches eingeleitet, wodurch die US-Politik den Rest des Jahres zur Genüge beschäftigt ist.



Der Rat für deutsche Rechtschreibung regelt nach der Getrennt- und Zusammenschreibung nun auch die Groß- und Kleinschreibung neu, d.h. alt. Die Kultusministerkonferenz löst den Rat daraufhin auf, ordnet wieder die "klassische Orthographie" an und löst sich dann anschließend selbst (in Wohlgefallen) auf. Die Gesetzgebungskompetenz im Bildungssektor liegt damit wieder beim Bund und es gibt endlich keine Unterteilung zwischen "schlauen" und "dummen" Bundesländern mehr. Als diese Nachricht bekannt wird, tanzen Gegner der neuen Rechtschreibung ausgelassen auf den Straßen. Allüberall sieht man kleine Feuerchen lodern, in denen nun nicht mehr aktuelle Regelwerke in Flammen aufgehen.


Frohes neues Jahr wünscht
[Kreetrapper - 02.01.2006]