Blutbad im Kopf
Die allmontägliche Kolumne für die ganze Familie

Freibeuter, ahoi!

Ich habe mir vor einer Woche die neueste (und leider auch letzte) Angel-Staffel zugelegt. Das ist ja zunächst erst mal etwas sehr Schönes, aber jedes mal, wenn ich nun eine der DVDs einlege, werde ich erst einmal ein paar Minuten lang als potentieller Straftäter beschimpft. Und zwar in einem "Piracy kills movies"-Spot, den man nicht überspringen kann. Ähnlich läuft es ja mittlerweile auch im Kino, und man muß sich doch ernsthaft fragen, ob dies das richtige Vorgehen ist. Oder warum man es nur hier antrifft. Jedes Jahr werden vermutlich tausende von Autos gestohlen. Aber bekomme ich deshalb jedes mal, wenn ich den Zündschlüssel bei meinem eigenen Auto umdrehe, einen Jingle zu hören: "Autos zu klauen ist ein Vebrechen. Wenn wir Sie dabei erwischen, landen sie mit einem Haufen Vergewaltiger, Kinderschänder und Serienmörder für zig Jahre im Knast. Und nun viel Vergnügen beim Fahren."

Das erscheint uns absurd, oder? Aber genau dieses Vorgehen kann man nun schon jahrelang bei den Unterhaltungsmedien beobachten. Zugegeben, die neueren Hart aber gerecht-Spots sind inzwischen nicht mehr ganz so platt und es gibt sogar Ansätze zur Emanzipation. Trotzdem bleibt das Konzept ein verwerfliches. Und dumm dazu. Sehr viel geschickter wäre es doch, den Menschen legale Alternativen zu bieten, bei denen sie nicht nur mit gutem Gewissen Musik und Filme herunterladen können, sondern auch noch einen deutlich besseren Service bekommen. Aber mit Ausnahme von apple scheint das keiner in der Unterhaltungsindustrie verstanden zu haben.

Es ist zudem nicht besonders clever, ausgerechnet diejenigen Menschen mit diesen Moralpredigten zu belästigen, die gerade Geld für eine DVD oder ein Kinoticket ausgegeben haben - und zumeist auch nicht gerade wenig Geld. Gerade bei den oben erwähnten DVDs liegt doch der Gedanke nahe, sich nach einer raubkopierten Version des Materials umzusehen, wo man nicht bei jedem Einlegen der Medien genervt wird. Noch stärker ist diese Versuchung sicherlich bei digitaler Musik. In einer der letzten ct's gab es einen recht ausführlichen Test des momentanen Angebots an legalen Musikdownloadmöglichkeiten. Mal davon abgesehen, daß die Qualität bei vielen Anbietern zu wünschen übrig läßt und der qualitativ hochwertigste Mitbewerber, iTunes, leider nur ein proprietäres Format anbietet, ist das auffälligste Manko sicherlich das Digital Rights Management (DRM), mit dem nahezu alle Angebote ihre Titel versehen. Man kann die für teures Geld gekaufte Musik also in der Regel nicht beliebig auf andere Medien übertragen, um sie zum Beispiel im Auto oder im Walkman zu hören. Und, was bei der heutigen Computertechnik ebenfalls sehr schwer wiegt, man kann auch keine Sicherheitskopien anfertigen. Und wir alle wissen ja - insbesondere die Windows-Nutzer unter uns: Der nächste Crash kommt bestimmt. Und das schlimmste, man kann sich nicht einmal auf ein bestimmtes DRM-System einstellen, da alle Anbieter hierbei ihr eigenes Süppchen kochen. Oft sogar innerhalb ihres Angebotes, da sie die Rechte mit jeder Plattenfirma einzeln aushandeln mußten. Ebenfalls ausgeschlossen werden Menschen wie ich, die auf ein überlegenes und freies Betriebssystem setzen. Für Linux-Nutzer gibt es momentan nur zwei legale Angebote: finetunes und eMusic, die allerdings beide eher den alternativen Musikgeschmack bedienen.

Bis jetzt ist es also nach wie vor so, daß Peer-to-peer-Netzwerke nicht nur der billigste Weg zu Unterhaltungsmedien in digitaler Form sind, sondern auch der einzige, bei dem man am Ende mit universell einsetzbaren Dateiformaten da steht. Von diesen Voraussetzungen ausgehend schlägt nun die Initiative Fair-Sharing eine sogenannte Kulturflatrate vor. Ich bin mir zwar noch nicht sicher, ob mir der Begriff gefällt (die Konnotationen scheinen mir Kultur etwas zu stark abzuwerten), aber die Idee klingt nicht übel. Der Vorschlag ist, daß Konzept der Pauschalabgabe, das es zum Beispiel möglich macht, beliebig viele Musikstücke aus dem Radio mitzuschneiden, auch auf das Internet und insbesondere auf P2P-Filesharing auszuweiten. Das heißt jeder Filesharer (und in der Praxis vermutlich eher jeder Internetnutzer) zahlt eine geringe Pauschalabgabe und kann dafür beliebig viele Dateien tauschen. Die Einnahmen werden dann nach einem bestimmten Schlüssel (den man z.B. durch Downloadstatistiken ermitteln könnte) an die entsprechenden Künstler ausgeschüttet. Das wirkt wie eine sehr kluge Idee, vielleicht ist sie aber, ähnlich wie die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens, ein wenig zu konsumentenfreundlich, um eine realistische Chance zu haben, in die Tat umgesetzt zu werden. Wir werden sehen, was sich dahingehend in den nächsten Wochen tun wird. Es ist allerdings mehr als offensichtlich, daß sich langsam mal etwas in diesem Bereich tun muß. Das neue Jahrtausend ist nun schon mehrere Jahre alt und es ist höchste Zeit für angemessene Verwertungsstrategien. Im Idealfall wird diese Gelegenheit einer fundamentalen Neuordnung dahingehend genutzt, die großen Musik- und Filmkonzerne, die ja letztlich nur Mittelsmänner zwischen Künstler und Publikum sind, deutlich in ihrem Einfluß auf den gesamten Kulturbereich zu beschneiden. Hoffen wir darauf.


[Kreetrapper - 14.03.2005]