Blutbad im Kopf
Die allmontägliche Kolumne für die ganze Familie

Servicewüste Deutschland

Sie betreiben einen kleinen Kopiershop, der etwas abseits des Weges liegt. Da Sie deswegen wenig Laufkundschaft haben, sind Sie besonders stolz auf einen Artikel der Ruhr Nachrichten, der Ihren hervorragenden Service lobt. Voller Stolz hängen Sie den Artikel direkt über Ihre Ladentheke.

Nun betreten zwei Kunden Ihren Laden. Aus irgendeinem Grund funktioniert Ihre Ladenklingel nicht. Die Kunden sind verdutzt, daß niemand im Laden ist, und rufen mehrmals nach Ihnen; dabei steigern sie ständig die Lautstärke und ihre Ungeduld wächst im gleichen Maße. Schließlich klingelt Ihr Telefon, da einer der Kunden gehofft hat, Sie so aus Ihrem Hinterzimmer zu locken und Sie zu zwingen, das wichtige Gespräch, das Sie gerade dort führen zu unterbrechen. Obwohl Sie auch im Hinterzimmer ein Telefon haben (damit hat dieser dummdreiste Kunde natürlich nicht gerechnet), sind Sie nun gezwungen Ihre Kundschaft zu bemerken.

Frage: Was tun Sie?
  1. Sie entschuldigen sich tausendmal und geben den (zu Recht) verärgerten Kunden als Entschädigung einen kleinen Gutschein.
  2. Sie entschuldigen sich kurz (zumindest kann man Ihr Murmeln so interpretieren), versuchen den Vorfall aber herunter zu spielen, da es Ihnen peinlich ist.
  3. Sie überprüfen Ihre Ladenklingel, schimpfen über die Scheiß-Technik und verhalten sich auch sonst so, als seien die Kunden störende Subjekte, die Sie so schnell wie möglich wieder loswerden wollen und die sowieso prinzipiell unter Ihrer Würde sind.
Viel zu viele Menschen, die sich völlig zu unrecht als "Dienstleister" betrachten, wählen in diesem Szenario Antwort c). Zumindest in Deutschland. Als Gegenbeispiel könnte die US-Supermarktkette Walmart dienen, der man vieles vorwerfen kann, aber nicht Unfreundlichkeit gegenüber den Kunden. Die von Walmart propagierte Ten Foot Rule, nach der ein Verkäufer jedem Kunden, der sich ihm auf weniger als 4 Meter nähert, seine Hilfe anbieten muß, scheint hierzulande als extrem. Und wenn man bedenkt, daß dieser Regel die großzügig angelegten amerikanischen Geschäfte zugrunde liegen und nicht die engen deutschen, kann man das natürlich nicht problemlos eins zu eins übertragen. Aber die dahinterstehende Idee ist richtig und gleichzeitig das Walmart-Unternehmens-Credo: "Wer ist die Nummer Eins? Der Kunde. Immer!"

Im Deutschen gibt es eine Redensart nach der der Kunde König ist. Diese Idee scheint unter den heutigen Geschäfteinhabern nicht besonders viele Freunde zu haben. Stattdessen ist gnadenloser Preiskrieg das Mittel der Wahl für die großen Ketten. Eine Möglichkeit, die sich den kleineren Mitbewerbern aus naheliegenden Gründen verschließt. Der Bereich, in dem sie logischerweise ihre Stärken ausspielen sollten, ist eigentlich der Service. Denn ein Saturn kann in der Regel nicht so gut ausgebildete Verkäufer bieten, wie der Onkel-Otto-Elektronikladen. Viele Menschen sind bereit, auch ein paar Euro mehr zu bezahlen, wenn sie dafür guten Service geboten bekommen. Jüngstes Beispiel wäre ein Freund, der jemanden suchte, der ihm eine Satellitenanlage verkauft und installiert. Aber die wenigen Geschäfte, die so etwas überhaupt anbieten, wollen dafür astronomische Summen. Auch für die Hardware, die man im Internet-Versandhandel für einen Bruchteil des Preises bekommt. So ein Geschäftsgebahren ist verschenkte Kundenbindung. Denn wenn ich erst einmal gute Erfahrungen mit einem kleinen Geschäft gemacht habe, gehe ich natürlich auch häufiger dort einkaufen. Das viele kleine Geschäfte das nicht einsehen, wird ihnen kurz- bis mittelfristig das Genick brechen. Und Mitleid habe ich damit eigentlich nicht mehr.


[Kreetrapper - 25.04.2005]