Fair is Foul and Foul is Fair
Oder: Zur Messe nach Hesse'

Die Frankfurter Buchmesse hat sich vor kurzem von der Idee der reinen Fachmesse verabschiedet und ist nun schon zum zweiten Mal auch für den gemeinen Pöbel geöffnet. Nachdem ich letztes Jahr die vielleicht einmalige Gelegenheit verstreichen ließ, Neil Gaiman persönlich dort anzutreffen (wofür ich mich noch heute in den Hintern treten könnte), bin ich diesmal dann tatsächlich gefahren, um mir diese "Buchmesse" mal in echt anzusehen. Und das, obwohl es diesmal keine besonders ansprechenden Programmpunkte gab - Allerdings war es auch nicht das Einfachste überhaupt an ein Programm zu gelangen. Die Webseite der Messe war jedenfalls keine große Hilfe bei der Planung meines Besuchs. Sehr viel hilfreicher dabei war dann allerdings Verena, die hier auch immer mal wieder veröffentlicht. Verena war nämlich so freundlich mir eine Schlafgelegenheit anzubieten, die deutlich näher an Frankfurt gelegen ist, als der Ort, wo ich mich normalerweise schlafen lege.

Rückblickend gesehen war der Zeitgewinn allerdings bei weitem nicht so groß, wie ich es mir erhofft hatte. Von Verena bis zur Messe habe ich etwas mehr als eine Stunde gebraucht. Auf dem Nachhauseweg habe ich von dem Zeitpunkt, an dem ich in Frankfurt auf die Autobahn fuhr, bis zur berüchtigten McDonald's-Ampel auf der B1 genau 1:45 gebraucht. Frankfurt ist näher als ich dachte. Doch ich greife mir vor.

Da die Publikumstage nur Samstag und Sonntag waren und es wegen lächerlicher eineinhalb Prozent am Sonntag eine OB-Stichwahl geben würde, bei der zu helfen ich mich verpflichtet hatte, hatte ich beschlossen, die Messe am Samstag zu besuchen. Verena war dank der Beziehungen, die man als angehende Starautorin so hat, bereits am Donnerstag auf der Messe gewesen, so daß ich eigentlich nur kurz dort Station machen würde. Ich hatte mit Verena ausgemacht, daß ich erst Freitag abends bei ihr eintreffe, da sie sowieso erst um sieben oder acht von der Arbeit kommen würde. Irgendwie kommt mir das bis jetzt auch noch etwas komisch vor, da es für einen Besuch eigentlich etwas kurz gehalten war, besonders wenn man bedenkt... aber dazu komme ich später.

Da ich dank eines Internet-Routenplaners mit einer Fahrtzeit von 3-4 Stunden rechnete und man ja nie weiß, bin ich hier so gegen 13 Uhr losgefahren. An einem Freitag! Um 13 Uhr! Ja, ich bin wirklich so dämlich, danke der Nachfrage. Bereits nach kurzer Fahrt wurde dann auch mir bewußt, daß um diese Zeit ja eigentlich so langsam der Berufsverkehr losgehen müßte. Kaum gedacht, war ich dann auch schon drin. Hurra! Ich war zwar erst vor wenigen Monaten in Mannheim - was genau dieselbe Strecke ist - aber erst jetzt fiel mir auf, daß die A45 höchstwahrscheinlich die Autobahn mit den meisten Baustellen ist. Eine Ehre, die ich bis dahin der A1 zugedacht hatte. Kaum war eine Baustelle beendet und das Tempolimit von 60 aufgehoben, wurde auch schon die nächste angekündigt. Und da gibt es immer noch einige verwirrte Geister, die denken, daß es auf bundesdeutschen Autobahnen keine Geschwindigkeitsbegrenzung gebe. Die Realität sieht da anders aus.

Schließlich habe ich es dann aber doch in das kleine Örtchen Sankt Leon in der Nähe von Heidelberg geschafft, in dem Verena mit einer sympathischen Kernfamilie in einem beschaulichen Häuschen lebt. Begrüßt wurde ich dann, wie erwartet, von der noch verenalosen Familie. Offenbar war meine - doch recht kurzfristige - Entscheidung, nun tatsächlich zu kommen, erst vor wenigen Minuten verarbeitet worden, so daß es noch einige panische Telefonate gegeben hatte. Aber Hauptsache, daß jetzt jemand da war.

Erwartungsgemäß konnte ich nicht wirklich ausgiebig mit Verena plaudern, da sie erst völlig von ihrer kleinen Tochter vereinnahmt wurde und dann auch bald schlafen ging. Ihr Mann mußte derweil Rom erobern und die Welt unterwerfen - was man als begeisterter PC-Spieler halt so macht.

Samstag: Mit Verenas Segen stehe ich in aller Herrgottsfrühe auf und verlasse gegen 7.30 Uhr das Haus, als alle anderen noch selig schlummern. Mir kommt das schon sehr komisch und eigentlich auch irgendwie unhöflich vor, aber Verena scheint damit kein Problem zu haben. Und ihre Tochter ist noch klein genug, daß sie und ihr Mann sich krampfhaft an jedes bißchen Schlaf klammern, das sie kriegen können. Ich habe jedenfalls, durch jahrelange Erfahrung mit der Spielemesse gestählt, beschlossen, so früh wie möglich bei der Buchmesse aufzukreuzen.

Die Buchmesse, oder besser: das passende Parkhaus, das etwas ausgelagert ist, ist erstklassig ausgeschildert, so daß ich sofort dorthin finde. Nachdem ich schluckend acht Euro Parkgebühren bezahlt habe, mache ich mich mit erschreckend vielen anderen Messebesuchern via Shuttle-Bus auf zur Messe itself. Pünktlich zu Beginn um 9 Uhr stehe ich am Eingang, löhne den Einheitspreis von 9 Euro (kein Studentenrabbat - Unverschämtheit!) und lasse meinen Rucksack von freundlichen Uniformierten durch den Metalldetektor schicken. Und dann bin ich drin. Das Messegelände ist riesig. Es gibt 10 Hallen, von denen viele auch noch mehrere Stockwerke (4.0, 4.1 etc) haben. Außerdem gibt es noch diverse kleinere Hallen, die dann nicht "Halle", sondern "Forum" heißen. Ich beschließe, zuerst zu den offensichtlichen Sachen zu gehen - Halle 3.0 Belletristik und Comics. Am Eingang ist leider Halle 10 und der Weg zu meinem Ziel ist weit. Glücklicherweise gibt es die von großen Flughäfen bekannten Rollbänder, welche die Reisegeschwindigkeit erheblich erhöhen. Unterwegs bin ich gezwungen, mir für 4 Euro ein belegtes Brötchen zu kaufen. Mein genialer Plan war leider nicht aufgegangen, denn überraschenderweise gab es auf dem gesamten Weg von Verena bis zur Messe keinen Bäcker oder sonst eine Nahrungsmittelquelle. Das Messeparkhaus ist auch extrem nah an der Autobahn, so daß ich gar nicht, wie erwartet, durch Frankfurt selbst kam.

Ich verlaufe mich noch einmal kurz und bis ich endlich richtig da bin und anfange, mir die Stände zu beschauen, ist es schon fast 10 und außerdem bereits beängstigend voll - das echte Messefeeling kommt auf. Wie ich später erfahre (aber fühlen kann man es auch jetzt schon), ist von den beiden Publikumstagen lediglich der Sonntag verkaufsoffen. Einige Stände haben sogar explizite Schilder, auf denen sie unmißverständlich klarmachen, daß sie nicht zum Verkaufen hier sind. Daher kann ich auch nicht verstehen, was all diese Menschen dort suchen. Das Fachpublikum wird doch alle wichtigen Dinge bereits an den vorherigen Tagen abgewickelt haben und was wollen gewöhnliche Menschen, die keine Bücher schreiben, produzieren oder verkaufen, auf einer Messe, wo sie nichts kaufen können? Jedenfalls ist und bleibt es gerammelt voll, so daß mir bereits nach wenigen Stunden die Lust vergeht. Bis dahin habe ich auch den überwiegenden Teil der Belletristik- und Sachbücher-Hallen gesehen. Ich gönne mir ein weiteres Brötchen, diesmal für 5 Euro, freue mich extrem, daß ich wenigstens schlau genug war, etwas zu trinken mitzubringen, und begebe mich Richtung Ausgang. Auf dem Weg dorthin mache ich noch schnell einen Schlenker ins Forum, wo das Gast"land" Arabien sich präsentiert. Dummerweise sind ein Großteil der ausgestellten Bücher auf Arabisch, was sie, trotz ihres sehr ästhetischen Äußeren, nicht ganz so interessant macht.

Kurz vor dem Ausgang fällt mein Blick auf das Schild von Halle 10 - Internationale Verlage. Gespannt gehe ich hinein und stelle fest, daß sich hierfür nun tatsächlich so gut wie überhaupt niemand zu interessieren scheint. Positiv überrascht durch den vielen freien Platz gehe ich hinein und suche nach schottischen Verlagen, um ihnen einen guten Vorschlag zu unterbreiten - mich einstellen. Leider scheinen es nicht so viele solcher Verlage bis nach Frankfurt geschafft zu haben und die ein, zwei, die ich anspreche, haben keinen Bedarf an neuem Personal. Schließlich wende ich mich zum Gehen, nicht ohne vorher einen Abstecher zur Scottish Publishers Association zu machen. Die freundliche Dame meint, ich solle ihr ruhig einmal meinen CV zumailen, aber die Arbeitsmarktsituation bei den schottischen Verlagen sei nicht gerade geneigt, Hoffnungen zu wecken. Sie scheint Recht zu behalten, denn auch wenn ich die besagte Mail sogleich abschickte, habe ich außer einer Empfangsbestätigung nichts mehr von dort gehört.

Nun mache ich mich aber wirklich auf den Heimweg. Es ist noch nicht einmal 16 Uhr und so entgehe ich geschickt dem Schlußtrubel. Auf dem Rückweg stellt sich allerdings heraus, daß der Weg aus Frankfurt heraus nicht ganz so gut ausgeschildert ist wie der hinein und so muß ich beinahe eine halbe Stunde lang auf der Suche nach der Autobahn durch Frankfurt kurven - direkt vor mir ein Polizeiwagen aus Wiesbaden, der ein ähnliches Problem zu haben scheint. Doch als ich die Autobahn dann endlich erreicht habe, bin ich auch schon so gut wie daheim - ich brauche weniger als zwei Stunden. Und wenn irgendwann einmal alle noch mit Baustellen gesegneten Streckenabschnitte fertiggestellt sein sollten, kann man es vielleicht sogar in nur wenig mehr als einer Stunde schaffen. Ich hätte nie gedacht, daß Frankfurt so nah ist. Trotzdem war dies wohl auf absehbare Zeit erst mal mein letzter Besuch auf der Buchmesse - zumindest als unbeteiligter Besucher.


[Kreetrapper - 15.10.2004]