Schreckliche Rätsel
Autor: | Lemony Snicket |
---|---|
Titel: | A Series of Unfortunate Events |
Verlag: | Harper Collins |
Erscheinungsjahr: | 1999/2000 |
Umfang: | jeweils zwischen 150 und 200 Seiten |
Preis: | je ca. € 14 |
Der Titel macht es nur dem Eingeweihten deutlich, aber es geht hier auch um den neuesten "Jim Carrey-Film". Die Anführungszeichen sind notwendig, da der von Jim Carrey gespielte Charakter zwar eine zentrale Rolle einnimmt, die eigentlichen Hauptpersonen aber drei Kinder sind. Der Film heißt hierzulande "Rätselhafte Ereignisse". Im Original ist der Titel jedoch "A Series of Unfortunate Events", ganz so wie die zugrunde liegende Buchreihe. Eben jene Buchreihe hat nun - vermutlich dank des Films - auch endlich ihren Weg in deutsche Buchläden gefunden. Hier heißt sie, deutlich gelungener ins Deutsche übertragen, "Eine Reihe betrüblicher Ereignisse". Besonders schön ist diese Übersetzung zum einen, weil gerade das Wort "betrüblich" sehr treffend die intendierte Stimmung der Romane einfängt. Zum anderen ist es erfreulich, daß man nicht den Filmtitel gewählt hat, um in dessen Sog den schnellen Euro zu machen, sondern sich offenbar tatsächlich die Mühe einer ordentlichen Übertragung ins Deutsche macht. Auch der Falle, bei allen Buchtiteln, die im Original stehende Alliteration ins Deutsche hinüberreten zu wollen, sind die Verantwortlichen entgangen. Hier scheint wirklich alles richtig gemacht worden zu sein. Ein großes Lob dafür.
Da ich vor kurzem ein Fan dieser Bücher geworden bin, bietet der Filmstart eine gute Gelegenheit, sie etwas zu promoten.
Der Autor Lemony Snicket beschreibt in diesen Kinderbüchern die Erlebnisse der Baudelaire-Geschwister Violet, Klaus und Sunny, denen immer wieder die titelgebenden betrüblichen Ereignisse zustoßen. Das fängt bereits im ersten Kapitel des ersten Romans der Reihe damit an, daß ihre Eltern in einem Feuer umkommen und die Kinder auf einmal Waisen sind. Ein alter Freund der Familie, Mister Poe, bringt die Kinder daraufhin bei ihrem Onkel Graf Olaf unter. Doch dieser ist alles andere als freundlich zu den dreien und als sich herausstellt, daß sie von ihren Eltern ein riesiges Vermögen erben werden, versucht er mit allen Mitteln an dieses Geld zu gelangen.
Irgendwie überleben die Kinder all dies (schließlich sind sie ja die Hauptfiguren) und finden sich nun in jedem weiteren Roman der Reihe bei einem neuen Anverwandten wieder, wobei Graf Olaf ihnen immer dicht auf den Fersen bleibt. Was die Bücher in meinen Augen so herausragend macht, ist die Person des Erzählers, der beispielsweise von Anfang an immer darauf hinweist, daß diese Geschichte sehr betrüblich ist und kein gutes Ende nehmen wird. Oft nimmt er auch besonders schreckliche Ereignisse voraus und verrät uns zum Beispiel im vorhinein, daß eine bestimmte Person zwar noch lebt, aber das nicht mehr lange so bleiben wird. Außerdem werden immer wieder kurze Begriffserklärungen eingestreut. Dies ist insbesondere dann vonnöten, wenn die jüngste Baudelaire-Schwester, Sunny, etwas zu sagen hat. Diese ist nämlich noch so klein, daß sie eine Sprache spricht, die nur sie und ihre Geschwister verstehen, so daß der Erzähler uns mitteilen muß, was sie meint.
"choin!" Sunny shrieked, which probably meant "That seems a little drastic, even for Count Olaf."
Er erklärt aber auch andere Begriffe, und das oft auf sehr unterhaltsame Weise. Diese Art von Begriffserklärungen ist ein starkes Motiv in der Romanreihe, denn häufig können auch die Charaktere nicht widerstehen ein bestimmtes Wort oder eine Phrase dezidiert zu erklären.
"Normally, of course," Aunt Josephine said, "'soup's on' is an idiomatic expression that has nothing to do with soup. It simply means that dinner is ready. In this case, however, I've actually made soup."
Auch abseits von Worterklärungen kann der Erzähler sich häufig nicht beherrschen und kommentiert die Ereignisse, die er berichtet. Zumeist mit sehr abstrusem Humor.
Stealing, of course, is a crime and a very impolite thing to do. But like most impolite things, it is excusable under certain circumstances. Stealing is not excusable if, for instance, you are in a museum and you decide that a certain painting would look better in your house, and you simply grab the painting and take it there. But if you were very, very hungry, and you had no way of obtaining money, it might be excusable to grab the painting, take it to your house, and eat it.
Dieses Zitat zeigt auch sehr schön, die leicht antiquierte, aber darum nur um so schönere Sprache, in der die Bücher geschrieben sind. Zudem sind die Erlebnisse der Kinder so geschickt beschrieben, daß man nur schwer ausmachen kann, wo oder in welcher Zeitperiode das Ganze spielt. Das sorgt zusammen mit der Sprache dafür, daß die Bücher wie klassische Kinderbücher - beispielsweise die Chroniken von Narnia - wirken.
Ein wichtiger Aspekt der Bücher ist also die Figur des Erzählers und "Autors" Lemony Snicket. Im Laufe der Reihe erfahren wir immer mehr über diesen faszinierenden Charakter, der scheinbar von irgendwelchen finsteren Mächten verfolgt wird, die ihn daran hindern wollen, uns diese Geschichten zu erzählen. In jedem Band der Reihe findet sich die Ankündigung des nächsten in der Form eines Briefs von Snicket an seinen Redakteur, in dem er diesem beschreibt, wie er an das Manuskript gelangen kann, ohne das "sie" intervenieren können. Inzwischen gibt es sogar eine unautorisierte Autobiographie von Lemony Snicket, die sicherlich dazu beitragen wird, diesen schillernden Charakter weiter auszuleuchten. Besonders erfreulich ist es da, daß diese Metaebene des Erzählers es auch in die Filmversion geschafft haben soll. Ohne ihn würde sicherlich ein großer Teil des Flairs der Bücher verloren gehen.
Bisher liegen im Original elf Bände (und die oben erwähnte Autobiographie) vor, von denen die ersten drei, auf denen auch der Film basieren wird, inzwischen ins Deutsche übersetzt worden sind. Wenn man Amazon diesbezüglich glauben darf, werden die weiteren Bände schon sehr bald folgen.
- The Bad Beginning
- The Reptile Room
- The Wide Window
- The Miserable Mill
- The Austere Academy
- The Ersatz Elevator
- The Vile Village
- The Hostile Hospital
- The Carnivorous Carnival
- The Slippery Slope
- The Grim Grotto
Wer, bevor er in den Buchladen stürzt und alle Bände sofort kauft, erst noch ein besseres Gefühl für den Stil Lemony Snickets bekommen möchte, kann im Internet eine von ihm verfasste Weihnachtserzählung finden.
Die englischen Ausgaben gibt es in einer Fülle von Varianten, bei denen mir der Überblick vollkommen verloren geht. Meine Ausgaben habe ich in Schottland erworben und es sind demnach britische Versionen, nachgedruckt von Egmont Books. Dafür gab es sie dort auch relativ günstig im Rahmen eines "3 für 2"-Ausverkaufs. Außerdem gibt es zumindest die ersten Bände auch in Form von Sammelboxen. Ich habe in Schottland eine mit den ersten vier Bänden im Schnäppchenladen gefunden, Amazon scheint aber nur Boxen mit je 3 Bänden anzubieten, was aber immer noch etwas billiger ist als der Einzelkauf. Wie auch immer, zum Abschluß gibt es noch ein paar Links als Starthilfe:
Der schreckliche Anfang - Band 1 auf Deutsch.
The Bad Beginning - Band 1 im Original
The Trouble Begins - Sammelbox mit den englischen Bänden 1-3
[Kreetrapper - 04.02.2005]