Drifting away




Autor: Andreas Eschbach
Titel: Exponential Drift
Verlag: Bastei-Lübbe
Erscheinungsjahr: 2003
Umfang: 260 Seiten
Preis: € 6,90




"Der neue Roman vom Autor des JESUS VIDEOS" ist die Tagline, die das Backcover schmückt. Das Jesus Video ist ohne Zweifel einer der Unterhaltungsromane, an denen man in den letzten Jahren nicht vorbei kam Über die gräßliche Verfilmung breiten wir allerdings lieber den Mantel des Schweigens. Nun, auch für mich war dies der wesentliche Kaufgrund, denn die Grundidee "Mann erwacht aus dem Koma und hält sich für einen Außerirdischen" klingt ja nun doch etwas klischeehaft.

So war ich auch recht überrascht, daß es sich hier gar nicht um einen Roman im eigentlichen Sinne handelt. Es ist vielmehr das Ergebnis eines fast einjährigen Experiments der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, das Genre des "echten" Fortsetzungsromans im Sinne eines Mark Twain wiederaufleben zu lassen. "Echt" bedeutet in diesem Fall, daß der Roman nicht schon komplett vorliegt und nur in sequentieller Form veröffentlicht wird, sondern daß jede Folge tatsächlich so zeitnah wie möglich geschrieben wird, in diesem Fall einige Tage vor Drucklegung. Um es vorwegzunehmen: Das Experiment ist gescheitert. Offensichtlich sind heutigen Lesern die einzelnen Häppchen - ein Kapitel hat etwas mehr als 3 Taschenbuchseiten - viel zu kurz und die Wartezeit von einer Woche zu lang. Diejenigen, die mit dem Abpacken von ursprünglich sequentiellen Erzählungen aus dem Comic-Bereich vertraut sind, fragen sich natürlich als erstes: Sieht man der Sammlung die Episodenhaftigheit an oder läßt sie sich wie ein echter Roman flüssig lesen? Glücklicherweise ist letzteres der Fall.

Allerdings hat das Konzept leider auch negativ auf den Inhalt abgefärbt. Es ist nämlich so, daß die Fortsetzungsreihe in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung recht plötzlich das Zeitliche gesegnet hat. Eschbach hat zwar die Handlungsfäden zusammengeführt und einen Abschluß erreicht. Aber wirklich zufrieden ist man mit diesem, wie der Autor selbst zugibt, überhasteten Ende nicht. Tatsächlich liegt hier nur der erste Handlungsbogen einer auf sehr viel längere Zeit angelegten Serie vor. Doch für einen zweiten, wie es ursprünglich geplant war, hat die Leserresonanz einfach nicht ausgereicht.

Das, was es in den Roman geschafft hat, ist wie von Eschbach gewohnt sehr ansehnlich. Wie immer bringt er sehr viele gute Ideen in die Handlung ein, die er ohne große literarische Umschweife erzählt. Über den etwas enttäuschenden Schluß wird man allerdings mit einem knapp 50-seitigen Making-Of entschädigt, in dem der Autor höchstselbst die Entstehung des Projekts beschreibt. Ein sehr interessanter Blick hinter die Kulissen. Das Vorwort des FAZ-Redakteurs Frank Schirrmacher hätte man sich allerdings meiner Meinung nach ruhig sparen können.


[Kreetrapper - 07.09.2003]