The Japanese Way of Life
Autor: | Philip K. Dick |
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Titel: | Das Orakel vom Berge |
Originaltitel: | The Man in the high castle |
Verlag: | Heyne |
Erscheinungsjahr: | 1965 (diese Ausgabe: 2000) |
Umfang: | ca. 350 Seiten |
Preis: | € 9,- |
Was wäre wenn?
Eine Frage, die man sich oft und häufig stellt. Wenn man aus der Beantwortung einer solchen Frage einen ganzen Roman bastelt, nennt man das ganze Elseworld oder Alternativweltgeschichte. Und mit einer ebensolchen haben wir es hier zu tun. Kim Stanley Robinson läßt es sich nicht nehmen im Vorwort mehrfach zu betonen, daß es sich außerdem um einen Meilenstein der SF-Literatur handelt, der besonders für Dicks eigenes späteres Werk prägend war. In der Tat ist dies der bisher bei weitem beste Roman, den ich von Philip K. Dick gelesen habe und überragt aufgrund der tiefergehenden Beschäftigung mit den Charakteren sogar seine exzellenten Kurzgeschichten.
Worum geht es nun? Die Frage lautet "Was wäre, wenn die Achsenmächte den Zweiten Weltkrieg gewonnen hätten?" Davon ausgehend entwickelt Dick eine Gegenwart (seine Gegenwart natürlich also Ende der Fünfziger, Anfang der Sechziger), in der Japan und Deutschland die USA unter sich aufgeteilt haben. Schauplatz ist allerdings im wesentlichen die japanische Hälfte, auch wenn natürlich immer wieder Meldungen oder Personen aus den deutschen Ländern das Geschehen beeinflussen. Es gibt im wesentlichen vier relativ unabhängige Handlungsstränge um den japanischen Geschäftsmann Tagomi, den amerikanischen Antiquitätenhändler Robert Childan, den Gießer Frank Frink und dessen Exfrau Juliana. Ab und an gibt es zwar Berührungspunkte, aber eine richtige Haupthandlung ist eigentlich nicht auszumachen und je näher man dem Ende des Buches kommt, desto mehr fragt man sich, worauf all dies denn schlußendlich hinauslaufen soll. Es spricht allerdings für die herausragende Qualität dieses Romans, daß selbst ein Plotfanatiker wie ich hellauf begeistert war. Es macht einfach solchen Spaß, den Charakteren bei ihrer Interaktion miteinander und mit der Umwelt zuzusehen, daß das Fehlen eines "richtigen" Plots überhaupt nicht auffällt.
Kenner von Dicks Kurzgeschichten wird freuen, daß auch Das Orakel vom Berge einen guten Schuß Seltsames abbekommen hat. Hervorzuheben ist vielleicht die Verschachtelung einer weiteren Alternativweltgeschichte, die alle Hauptcharaktere im Verlaufe des Romans lesen. In diesem Roman im Roman stellt der Autor die Frage "Was wäre, wenn die Allierten den 2. Weltkrieg gewonnen hätten?" Heraus kommt eine utopische Welt, die mit unserer nicht viel gemein hat, und die die Leser um so mehr fasziniert. All diese Spielereien mit der Realität, auch später noch das Hauptmotiv in Dicks Werken, wirken aber niemals aufgesetzt, sondern fügen sich harmonisch in das Gesamtkunstwerk ein.
Wolfgang Jeschke meint in seinem Nachwort, daß trotz aller Großartigkeit dieses Romans, der Schluß "auf bestürzende Weise mißglückt" ist. Ganz so dramatisch stellte es sich mir nicht dar, man muß allerdings zugeben, daß er nicht wirklich befriedigend ist. Die besprochene Ausgabe enthält einen Anhang mit den ersten zwei Kapiteln einer nie fertiggestellten Fortsetzung. Auch wenn sich diese recht angenehm lesen, wird man doch das Gefühl nicht los, daß es eine weise Entscheidung war, diese Fortsetzung nicht zu schreiben. Es ist fraglich, ob ein befriedigenderes Ende dabei herausgekommen wäre.
[Kreetrapper - 30.12.2003]