Kaffee für Godot




Titel: Coffee and Cigarettes (O.m.U.)
Originaltitel: Coffee and Cigarettes
Land/Jahr: USA 2003
Länge: 96 min
Altersfreigabe: ab 12
Regisseur: Jim Jarmusch
Darsteller:
Iggy Pop
Tom Waits
Cate Blanchett
GZA
RZA
Bill Murray
alle obengenannten spielen sich selbst




Für Menschen, die ins Kino gehen, um eine Geschichte erzählt zu bekommen, wird der Film von Jim Jarmusch eine Enttäuschung sein. Hier wird keine Geschichte erzählt, es gibt keine zusammenhängende Handlung. Coffee and Cigarettes besteht aus einer Sammlung von Kurzfilmen, die nur locker (wenn überhaupt) miteinander verbunden sind. Auch in den einzelnen Filmen ist die Handlung durchaus überschaubar.
Sie besteht daraus, daß sich zwei Menschen an einen Tisch setzen (oder schon dort sitzen), Kaffee trinken und rauchen (daher der Titel). Das ist auf der Handlungsebene schon alles.
Auch das sicher nicht jedermanns Sache.
Wohl aber meine: Ich halte den Film (oder die Filme) für ein Meisterwerk.
In scheinbar dokumentarischem Stil beobachtet die Kamera kleine Szenen, in denen sich (meist) zwei Menschen in jeweils ähnlichem Setting treffen. Was dann zwischen diesen Menschen passiert, erscheint oft improvisiert, unterliegt aber in Wirklichkeit dem Gestaltungswillen des Regisseurs, der hier in verschiedenen Variationen immer um dasselbe Thema kreist: die Sprachlosigkeit unserer Gesellschaft.
Die Variationen überraschen in ihrer phantasievollen Vielfalt dabei ebenso wie die Ausdruckskraft der durchweg bekannten Protagonisten, denen man diese schauspielerische Leistung nicht unbedingt zugetraut hätte (besonders herausragend in diesem Sinne Iggy Pop und Tom Waits).
Es ist kein Zufall, daß Kaffee und Zigaretten die inhaltliche Klammer für die einzelnen Szenen bilden. Beides sind hier Metaphern für Kommunikation. In diesem Sinne wird geraucht und getrunken, anstatt zu reden.
Die Erwartung, die sich bei Beginn der Szene jeweils aufbaut (nämlich, daß gleich ein Gespräch stattfindet), wird konsequent enttäuscht. Stattdessen wird eine oft wortreiche Sprachlosigkeit zelebriert, die sich gelegentlich bis ins Absurde steigert (besonders schön in der Episode No Problem). In jedem Fall wird das anfängliche Kommunikationsversprechen nie eingelöst (oder allenfalls symbolisch, eben durch Kaffee und Zigaretten).
Das erinnert an große Vorgänger des absurden Theaters, wie etwa Beckett.
In Waiting for Godot zum Beispiel, wo es immer wieder heißt: Let's go , was stets unmittelbar gefolgt wird von der Regieanweisung They do not move.
Genauso wie Vladimir und Estragon nie wirklich gehen, obwohl sie immer so tun, genauso fangen die Protagonisten von Jarmusch nie wirklich an zu reden, obwohl sie das ständig vorgeben.
Diese durchgängige Unfähigkeit zur Kommunikation ist eine existentielle Erfahrung der Personen in Coffee and Cigarettes, die uns allen vertraut ist. Darin erkennen wir (mit einem Lachen, das bisweilen im Halse stecken bleibt) uns selbst wieder.
Deshalb präsentiert sich hier trotz der "kleinen" Form großes Kino, oder - wenn man so will - großes Theater, das eben nur als Film daher kommt.


Mit zwei Wünschen habe ich den Kinosaal verlassen:
  1. Hoffentlich erscheint bald eine DVD mit dem Film, denn die Szenen kann man sicher öfters genießen.
  2. Vielleicht kommt einmal jemand auf die Idee, etwas Ähnliches für unseren Sprachraum zu versuchen. Wer schon einmal Blind Date (mit Olli Dittrich und Anke Engelke) gesehen hat, weiß, daß wir durchaus auch Künstler haben, die so etwas darstellen können.



[Bonobo - 25.09.2004]