Strafe muß sein (Teil 2)
Titel: | Muxmäuschenstill | ||||||||
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Land/Jahr: | Deutschland 2004 | ||||||||
Länge: | 89 min | ||||||||
Altersfreigabe: | ab 16 | ||||||||
Regisseur: | Marcus Mittermeier | ||||||||
Darsteller: |
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"Ich bin ein Teil der Gesellschaft, in der wir unsere Ideale verloren haben." Mit diesem Satz beginnt Mux seinen Kreuzzug gegen das Verbrechen. Im Gegensatz zu seinem Kollegen dem Punisher agiert Mux jedoch im Kleinen. Er ist sich nicht zu schade, auch mit Rasern, Schwarzfahrern oder Ins-Becken-Pinkern abzurechnen. Seine Strafen sind anfangs durchaus ironisch (Raser werden gezwungen, ihr Lenkrad abzumontieren, das Mux dann mitnimmt), werden aber mit der Zeit immer brutaler (z.B. Graffitisprayer, denen Farbe ins Gesicht und in die Augen gesprüht wird). Ganz klar - Mux ist ein Psychopath, aber er hat Erfolg ("Die Rückfallquote liegt unter 10%."). Der Film ist also gar nicht primär gesellschaftskritisch, wie man zuerst meinen könnte, sondern es handelt sich vielmehr um eine Charakterstudie. Mux ist eine schillernde Persönlichkeit. Er liest Kant und Goethe, wobei er letzteren auch gern mal zitiert. Er spricht in romantischen Idealbildern, um ein Mädchen zu beeindrucken und ist in vielen Bereichen ein hoffnungsloser Idealist.
Die mit ihm interagierenden Mitspieler sind natürlich vornehmlich seine Opfer (oder "Täter", wie er sie nennt) und außerdem seine rechte Hand, der Langzeitarbeitslose Gerd, der alle Erfolge Mux' mit der Videokamera begleitet und anschließend archiviert. Vervollständigt wird die Besetzung durch Kira, eine junge Bedienung, die als love interest dient.
Durch die Einbindung der Videodokumentation erhält der Film zugleich etwas quasi-dokumentarisches. Viele Szenen werden nämlich einfach direkt (und manchmal sogar ausschließlich) aus der Sicht von Gerds Handy-Cam gezeigt. Mit dieser Technik liegt Muxmäuschenstill überraschenderweise also voll im Trend und schwimmt zum Teil im Fahrwasser der Dokumentationswelle, die zur Zeit vor allem von Michael Moores Fahrenheit 9/11 und Morgan Spurlocks Super Size Me verkörpert wird.
Der Film ist seinem Erfinder und Hauptdarsteller Jan Henrik Stahlberg eine Herzensangelegenheit. Da sich kein Produzent fand, der seine unkonventionelle Idee finanzieren wollte, mußte er sich nach Alternativen umsehen. Ergebnis: Er hat es geschafft, den kompletten Film für knapp 40.000 Euro zu drehen, wofür seine gesamten Ersparnisse (und diverse Gefallen von Freunden) herhalten mußten. Dafür mußten Stahlberg und sein Regisseur Marcus Mittermeier allerdings auch keinerlei Kompromisse eingehen und konnten den Film genau so machen, wie sie wollten. Muxmäuschenstill gewinnt dadurch eine bewundernswerte Konsequenz, die man im Hollywood-Mainstream unserer Zeit zumeist vergeblich sucht.
Der Film ist gerade dadurch besonders interessant, daß Mux ja im Grunde genommen recht hat. Die moderne Gesellschaft zeitigt einen hohen Grad von Asozialität. Bücher mit Titeln wie Der Ehrliche ist der Dumme scheinen diese persönliche Einschätzung zu bestätigen. Und wem das nicht reicht, der braucht ja eigentlich nur vor die Tür zu gehen (besonders wenn er so wie ich an einem "sozialen Brennpunkt" wohnt). Auch die Macher des Films sagen, daß sie die Figur des Mux bewußt derart psychopathisch gestaltet haben, damit die Zuschauer ihn schnell als Wahnsinnigen abtun und sich den Rest der Zeit umso intensiver dem Thema des Films widmen können. Muxmäuschenstill ist daher nicht bloße Charakterstudie, sondern hilft auch einige durchaus besorgniserregende Tendenzen unserer Gesellchaft aufzuzeigen. Dadurch daß eigentlich keinerlei akzeptablen Lösungen angeboten werden, vermeidet der Film ins Didaktische abzugleiten, sondern bleibt durchgehend interessant und intelligent - und in großen Teilen auch noch witzig.
[Kreetrapper -12.07.2004]