Das Walroß bist Du
Ein Kriminalroman von Helmut König

Kapitel 26





Kapitel 26: Sound off



Der stechende Geruch brannte ihm noch in der Nase. Rollo konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe. Er mußte herausfinden, woher dieser Geruch kam.
Vorhin hatte er die Witterung schon einmal aufgenommen gehabt. Dann war ihm der Andere dazwischen gekommen. Wie ein Wirbelwind war der aufs Grundstück gestürmt und zum Haus gelaufen. Der Andere hatte sich in den letzten Tagen doch noch als ganz brauchbar erwiesen, und deshalb versuchte Rollo, ihn zum Spielen zu bewegen. Aber er hatte gar keine Augen für den Hund und war sofort im Haus verschwunden. Schade.
Rollo überzeugte sich davon, daß der Andere wirklich alleine gekommen war. Manchmal hatte er ja den neuen Lieblingsmenschen in seinem Schlepptau. Doch heute nicht. Rollo lief noch einmal um das Auto herum, kehrte aber dann wieder zu seiner Aufgabe zurück.
Mit gesenktem Kopf lief er aufmerksam hin und her. Der Boden war hier voller verschiedener Gerüche. Beim Haus stammten die meisten von den Menschen. Die kannte er alle. Je näher er zum Wald kam, desto mehr Fährten von Tieren mischten sich darunter. Auch da waren ihm fast alle vertraut. Aber seit einigen Tagen war immer wieder dieser neue, fremde Geruch aufgetaucht. Das Tier, dem dieser Geruch gehörte, lebte auch im Wald. Und es kam neuerdings öfter in die Nähe des Hauses. Doch so nah hatte er die Fährte bisher noch nie gerochen.
Da war sie wieder. Die Nase dicht am Boden folgte er ihr. Das fremde Tier war über den Hof bis zum Hühnerstall gegangen. Heute nacht konnte das nicht gewesen sein. Das hätte Rollo gemerkt. Es mußte morgens passiert sein, als er seine große Runde gemacht hatte. Über den Bach und weit in die Felder hinaus. Das Tier hatte bestimmt gewartet, bis er weg war. Es war um den Hühnerstall herum gelaufen, hatte aber wohl keinen Weg hinein gefunden. Dann war Es weiter gegangen zu den Mülltonnen. Hier mußte Es im Müll gewühlt haben. Einiger Abfall lag jetzt verstreut auf der Erde. Rollo schnüffelte darin herum.
Da kam sein früherer Lieblingsmensch aus dem Haus. Die Frau sah Rollo beim Müll und nahm sofort an, daß er für die Unordnung verantwortlich war. Sie schimpfte über den Hund. Der bellte empört. Konnte sie denn die Spur nicht riechen? Kein Wunder, wenn sie auch den Kopf so hoch erhoben hatte.

„Die Nase an den Boden!“, dachte Rollo. „Nase an den Boden!“


* * *



Als ich hinter Aarons VW parkte, sah ich Diana Burckhardt an den Mülltonnen stehen. Sie sagte etwas zu Rollo, der neben ihr stand, und ging dann ins Haus. Mich hatte sie gar nicht bemerkt. Anscheinend war hier ja noch alles ruhig. Nichts passiert. Obwohl Rollo nicht so aussah. Er blieb ziemlich verstört bei den Mülltonnen stehen, anstatt mich wie sonst zu begrüßen. Ich wunderte mich nicht darüber. Schließlich waren in der letzten Zeit alle Menschen um ihn herum in einem permanenten Ausnahmezustand. Hervorgerufen durch nun schon fünf Morde. Als mir diese Tatsache wieder bewußt wurde, kam es mir so unecht vor. Wie in einem schlechten Film. In der Wirklichkeit gab es das doch nicht! Ein Mord nach dem anderen, ohne daß auch nur ansatzweise deutlich wurde, wer dahinterstecken konnte.
Mir war auch unklar, was ich jetzt eigentlich hier sollte. Deshalb hatte ich es nicht eilig, ins Haus zu kommen. Ich ging auf Rollo zu und rief nach ihm. Zögernd kam er näher. Beinahe hatte ich den Eindruck, er überlegte, ob er mir noch trauen sollte. Wahrscheinlich begann das Mißtrauen, das ringsum in der Luft lag, auch auf ihn zu wirken. Ich wußte ja auch kaum, wem ich noch vertrauen konnte. War Lisa wirklich die Mörderin? Oder Diana? Oder doch der große Unbekannte?
Bisher hatten wir immer einen Außenstehenden in Verdacht gehabt. Erst Nicolai, dann Wagner und zuletzt Kleist. Dummerweise waren die mittlerweile selbst getötet worden. Der Täter mußte aber irgendeine Art von Kontakt zu allen Opfern gehabt haben. Also kam ein vollkommen Unbekannter wohl nicht in Betracht. Wer blieb dann noch übrig? Eben Lisa und Diana.
Oder mußte man vielleicht sogar das noch Unvorstellbarere für möglich halten? Theo Schneider? Aaron?
Mich schauderte, und ich wehrte mich dagegen, so etwas zu denken. Aber vieles, was bislang verläßlich erschienen war, wurde inzwischen in Frage gestellt. Nichts war mehr, wie es einmal gewesen war. Fast nichts.
Rollo stieß mir mit seiner Schnauze auffordernd ans Bein und legte ein Stöckchen vor meine Füße. Gott sei Dank, doch noch etwas, das so war wie immer. Rollo. Ich streichelte ihn, nahm den Stock und warf ihn weit weg. Rollo rannte hinterher, und die Bewegung holte mich aus meinen trüben Gedanken.
Nachdem ich eine Weile mit ihm gespielt hatte, hörte ich plötzlich Geräusche vom Haus. In der offenen Haustür standen Aaron und Lisa. Sie redeten lautstark miteinander. Ich warf Rollos Stock wieder weg und winkte den beiden. Sie sahen mich nicht. Ihr Gespräch war anscheinend sogar ein Streit. Das machte mich neugierig. Ich bewegte mich auf sie zu, um besser hören zu können. Lisa rief:

„Wie konntest du nur Diana so erschrecken?“

Aarons Stimme war etwas leiser. „Aber ich hab doch nur...“ Mehr konnte man aus der Entfernung nicht verstehen. Ich ging noch näher heran. Lisa war ziemlich aufgebracht:

„Zu Tode hast du sie erschreckt!“

„Die Wirklichkeit ist nun mal schrecklich. Ich hab doch nur Angst um euch beide.“

„Ach was. Und deshalb läßt du uns hier alleine und gehst ins Kloster, mit deinem bescheuerten Bullen-Freund?“

„Aber Lisa! Theo meint auch -“

„Theo meint! Theo sagt! Theo! Wenn man schon so heißt!“

„Theo sagt auch, du bist in Gefahr. Vielleicht. Eigentlich meint er, ...“

„Ist mir ganz egal. Kann mir gestohlen bleiben, dein Freund.“

„Du solltest nicht so feindselig gegen ihn sein. Bringt ihn sonst noch auf falsche Gedanken. Wenn er gleich kommt, ...“

„Wie? Der kommt schon wieder her?“

„Natürlich. Schließlich ist Kleist doch tot, und Diana hat als Letzte mit ihm gesprochen.“

„Erinner mich nur daran! Die Arme ist vollkommen fertig mit den Nerven.“

„Du ja wohl auch. Ich meine, du mußt wirklich weg hier. Das ist zu gefährlich.“

„Und Diana alleine lassen? Du spinnst wohl!“

„Ich spinne nicht. Ich hab Angst um dich.“

„Wenn du solche Angst hast, kannst du ja gehen. Ich bleibe!“

Sie drehte sich um und ging ins Haus zurück. Das war tatsächlich schlimmer, als ich befürchtet hatte. Lisa war fast hysterisch. Komisch, dabei war sie sonst immer so beherrscht gewesen. Wahrscheinlich wurde das alles langsam zuviel für sie.
Aaron sah auch schon ziemlich mitgenommen aus. Er bemerkte mich erst jetzt und ging auf mich zu. Rollo kam angelaufen und sprang an ihm hoch. Aaron streichelte den Hund ganz in Gedanken und ohne richtig bei der Sache zu sein. Ich sagte:

„Na, euer erster Streit?“

„Nein, nein. Streit kann man nicht sagen. Wir sind halt alle ein bißchen von der Rolle nach diesem neuen Mord. Diana am schlimmsten. Die ist richtig geschockt.“

„Ach ja. Hast du sie gefragt, ob sie etwas von Kleist bekommen hat?“

„Lauter dummes Zeug redet die. Ist gar nicht mehr ansprechbar.“

„Hat sie etwas bekommen?“

„Und dann bin ich gleich schuld. 'Du bist herzlos', heißt es.“

„Hat sie!?!“

„Ja, hat sie gesagt. Stell dir mal vor!“

„Nein, hat Diana etwas bekommen? Von Kleist? Als der hier war?“

„Ja, nein. Weiß nicht. Ich glaube nicht. So ganz kann man nicht sicher sein. Sie weiß doch selbst kaum noch, was sie sagt. Vielleicht hat sie's auch vergessen. Aber Lisa, die ...“

Aaron war, während er redete, langsam in Richtung Hof gegangen. Er war einfach Rollo gefolgt, der ihm dort wohl etwas zeigen wollte. Dabei hatte er gar nicht gemerkt, daß ich stehen geblieben war. Schließlich redete er mit Rollo, anstatt mit mir. Ich rief ihm hinterher:

„Hey! Du Pappnase! Komm zurück!“

Verdattert kehrte er um. Sehr zum Unwillen von Rollo, der unbedingt mit ihm auf den Hof wollte. Mein Freund war wirklich arg daneben. Er stand jetzt zwar wieder bei mir, sah mich aber gar nicht an, sein Blick ging starr in die Ferne.
Hatte der Streit mit Lisa ihn so verwirrt? Oder was war sonst los?


* * *



Nach dem Tod ihres Vaters hatte Diana versucht, sich näher an Malchen anzuschließen. Sie hoffte, damit die Lücke zu füllen, die so abrupt entstanden war. Daß Malchen dann selbst kurze Zeit später ermordet wurde, hatte nicht nur diesen Versuch scheitern lassen, sondern sie vollends aus der Bahn geworfen.
Noch hatte sie keinen Weg gefunden, auch nur annähernd so etwas wie normale Trauer zu empfinden, als der neuerliche Mord sie jetzt in einen regelrechten Schockzustand versetzte.
Dieser Zustand hielt sie derart gefangen, daß sie nicht einmal erkennen konnte, was sie eigentlich fühlte. Es gab dafür auch keinen Namen, und weil sie ihre Emotionen nicht benennen konnte, gelang es ihr nicht, darüber zu reden.
Um nicht ganz in diesem Durcheinander zu versinken, rettete sie sich in unkontrollierte, und größtenteils überflüssige, Hausarbeit. Das hinderte sie daran, nachzudenken und zu spüren, was mit ihr geschehen war. So lief sie von Raum zu Raum. Wischte hier einen Tisch ab, putzte dort eine Glasscheibe, die absolut sauber war, wusch Geschirr noch einmal ab, das schon zum Abtrocknen bereitstand.
Lisa merkte, daß ihre Cousine geradewegs auf einen Zusammenbruch zusteuerte. Deshalb ließ sie Diana gewähren. Räumte nur hinter ihr her, was sie in Unordnung brachte, löschte das Licht, das Diana unnötigerweise anmachte, und stellte den Herd wieder ab, den sie angestellt hatte. Dabei war Lisa selbst übernervös. Der Streit mit Aaron hatte sie noch zusätzlich aufgeregt. Die blinde Geschäftigkeit ihrer Cousine gab ihr nun den Rest. Sie wollte jetzt wenigstens äußerlich Ruhe haben. Darum sagte sie:

„Diana, kannst du dich vielleicht mal hinsetzen? Du machst mich ganz rappelig.“

„Ich kann nicht still sitzen. Geh doch auf dein Zimmer und laß mich zufrieden.“

„Oh nein! Alleine gelassen richtest du noch Schaden an. Du merkst ja gar nicht mehr, was du tust.“

„Ach so? Bei dir ist das allerdings ganz anders, oder?“

„Wieso?“

„Ist dir nicht aufgefallen, daß du die Zigarettenschachtel aus dem Papierkorb genommen hast, und sie jetzt schon zum dritten Mal zusammenknüllst und wieder auseinander dröselst?“

Ungläubig sah Lisa auf ihre Hände und entdeckte die Schachtel. Diana hatte recht, sie wußte auch nicht mehr, was sie tat. Anscheinend war sie schon genauso angeschlagen wie ihre Cousine.
Sie spürte, wie ihre Lippen zu zittern begannen. Nein! Bloß kein hysterischer Anfall! Dann würde alles über ihnen zusammenstürzen. Lisa beherrschte sich und ging auf Diana zu, nahm sie in den Arm. Diana wehrte sich erst ein wenig, ließ sich dann aber fallen und weinte an Lisas Schulter.

„Was soll denn bloß aus uns werden?“, schluchzte sie.

„Es wird schon gehen. Wenn wir zusammenhalten, noch mehr zusammenhalten, dann schaffen wir's.“

„Das sagt Gustav auch immer, aber ...“

„Gustav Kleist ist tot.“

„Oh Gott, ja. Und ihr habt ihm so bitter unrecht getan.“

„Immerhin hat er Malchen nach Braunschweig gelockt, vergiß das nicht!“

„Weißt du's?“

„Natürlich. Und vielleicht wärst du die Nächste gewesen.“

„Aber Lisa! Er ist doch tot. Ins Verderben getrieben. Bestimmt wußte er keinen Ausweg mehr.“

„Wenn es Selbstmord war. Steht längst noch nicht fest.“

„Du meinst, er ist ermordet worden? Aber von wem? Wer tut denn so etwas?“

„Sicher derselbe, der auch Malchen ermordet hat und Onkel Hannes.“

Erschreckt sah Diana ihre Cousine an, als ob ihr erst jetzt einfiel, daß diese beiden lieben Menschen ja auch tot waren. Sie öffnete den Mund. Aber die Worte der Klage waren ihr ausgegangen, und es kam nur noch ein Stöhnen heraus. Dann nestelte sie nervös an ihren Haaren und fing an, monoton vor sich hin zu murmeln.
Lisa verlor langsam die Geduld mit Diana. Eigentlich hatte sie ja sehr viel Verständnis für ihre Cousine. Sie hatte die drei Menschen verloren, die ihr am nahesten standen, und sie schien unfähig, damit umzugehen. Aber schließlich war Lisa selbst genauso betroffen! Sogar durch Kleists Tod. Mit seinem Namen hatte sie die Bedrohung erfassen können und benennen. Jetzt blieb sie namenlos und deshalb umso unheimlicher.
Lisa hatte furchtbare Angst. Der Mörder war nicht Kleist gewesen. Er lebte noch. Und Aaron hatte recht, es konnte sein, daß er nun Diana und sie bedrohte. Warum konnte sie das vor Aaron nicht zugeben? Warum wollte sie nicht mit ihm weggehen? Irgendwohin, wo sie in Sicherheit war.
Nur, wohin? Wie konnte man wissen, wo der Mörder sie nicht finden würde? Malchen und Kleist hatten versucht, sich zu verstecken. Vergeblich. Wohin also sollte sie gehen?
Die Angst machte es ihr unmöglich, noch einen klaren Gedanken zu fassen. Sie sah auf Diana. Die schien von dieser Angst verschont zu sein. In ihrem Gesicht konnte sie verschiedene Gefühle sehen. Da waren Schrecken, Schmerz und Verunsicherung. Auch Hilflosigkeit, aber keine Angst! Der Mörder schien für Diana gar keine reale Bedrohung zu sein. Lisa sagte:

„Vielleicht sollten wir weggehen. Aaron meint, hier im Haus ist es zu gefährlich.“

„Niemals! Ich bleibe!“

„Aber der Mörder läuft noch frei herum. Und jetzt weiß er genau, wo er uns finden kann.“

„Sagt Aaron. Vielleicht ist er es ja selber, oder sein komischer Freund.“

„Du bist wohl endgültig übergeschnappt. Aaron würde mir nie ein Haar krümmen. Und dir auch nicht.“

Die Empörung brach mit einer Wucht aus ihr heraus, die sie überraschte. Was war da? Mußte sie am Ende schon sich selbst überzeugen?


* * *



Ich war verzweifelt. Das machte alles keinen Sinn mehr. Ganz zu schweigen davon, daß nun jede Spur verschwunden war, die mich noch zum Faust führen könnte.
Ich setzte mich ins Gras. Diese überraschende Aktion brachte Aaron zurück in die Wirklichkeit. Er ließ sich neben mir nieder. Rollo lag zwischen uns und genoß es, von zwei Seiten gekrault zu werden. Wenn er eine Katze gewesen wäre, hätte er wohl geschnurrt. Aaron war jetzt auch wieder ansprechbar. Deshalb sagte ich:

„Diana hat also nichts von Kleist bekommen.“

„Was sollte das denn auch sein?“

„Na, der Faust! Du Töffel!“

„Den bestimmt nicht. Hätte sie doch gar nicht gewußt, was das ist, und sicher gleich von erzählt.“

„Also muß wohl der Mörder ihn haben.“

Aaron holte den Zettel mit der neuen Botschaft heraus.

„Und wozu dann das hier? Warum bedroht er jetzt Lisa?“

„Oder Diana.“

„Oder Diana, meinetwegen. Aber wozu?“

„Weil Kleist den Faust beiseite geschafft hat, und eine der Frauen davon weiß?“

„Nein! Die Polizei hat die ganze Stadt nach ihm abgesucht. Er ist nirgends sonst gewesen, nur im Kloster und im Weghaus. Und da hat er nichts versteckt. Aber wie soll er denn überhaupt an den Schlüssel gekommen sein?“

Bei dem Stichwort sprang Rollo auf und lief zu seiner Hütte. Er kam mit der Katze im Maul wieder und gab sie mir. Ich nahm sie in die Hand, und meine ganze Verzweiflung kehrte zurück. Ich sagte:

„Wenn ich bloß den Schlüssel nicht verloren hätte! Dann wäre Kleist heute nicht tot. Und wir hätten den Faust.“

„Du hast ihn aber verloren. Oder? - Und? Wie kommt Kleist jetzt ins Spiel?“

„Na, er wird den Schlüssel hier gefunden haben.“

„Ist das nicht ein bißchen unwahrscheinlich? Du verlierst den Schlüssel. Und zufällig kommt gerade dann Kleist vorbei und findet ihn. Nachdem wir vorher zu dritt die ganze Zeit vergeblich gesucht haben. Wohl kaum zu glauben!“

„Da gibt es natürlich noch eine andere Möglichkeit.“

„Und?“

„Wird dir nicht gefallen.“

„Sag schon!“

„Als wir alle gesucht haben, mußten wir doch die ganze Zeit sehr angestrengt auf den Boden sehen.“

„Ja, klar.“

„Wir hätten es nicht gemerkt, wenn Lisa ihn gefunden hätte, ohne uns etwas zu sagen.“

Aaron atmete hörbar ein. Seltsamerweise sprang er mir aber nicht an die Kehle, sondern sagte ziemlich beherrscht:

„Und dann hat sie ihn Kleist gegeben, oder was?“

„Sie konnte ja schlecht selbst als Wagner verkleidet zur Bank gehen. Das mußte ein Mann erledigen.“

„Da nimmt sie ausgerechnet Kleist, den sie überhaupt nicht ausstehen kann?“

„Ist vielleicht nur gespielt, um uns zu täuschen.“

„Und nachdem Kleist ihr den Faust besorgt hat, bringt sie ihn um?“

„Ja.“

„Du bist durchgeknallt, vollkommen durchgeknallt.“

Jetzt verlor er doch die Fassung. Er sprang auf, hüpfte wild gestikulierend umher und warf mir haufenweise Schimpfwörter an den Kopf. Ich ließ alles geduldig über mich ergehen und sagte dann:

„Nun beruhig dich mal wieder. Ich kann's mir ja auch nicht richtig vorstellen. Aber das würde zusammen passen.“

„Nur in deinem kranken Hirn.“

„Nee. Überleg doch mal. Daß Wagner in das Ganze verwickelt war, glaubst du doch selbst. Und da sollte sie nichts von gewußt haben?“

„Du meinst, sie hat von Anfang an mit Wagner gemeinsame Sache gemacht?“

„Ja.“

„Und warum ist sie dann nicht mit ihm zusammen verschwunden, als er den Schlüssel hatte?“

„Vielleicht wollte er nicht mehr teilen. Hat sich mit ihr gestritten. Deshalb hat er den Schlüssel versteckt und später versucht, über Malchen wieder dranzukommen.“

„Woraufhin Lisa erst ihn und dann ihre Cousine umbringt. Du spinnst doch!“

Ich fand das selbst alles ziemlich weit hergeholt, aber es war irgendwie logisch. Lisa konnte ja schon lange von dem Faust gewußt haben, und die ganze Zeit auf seiner Spur gewesen sein. Dann hätte sie sich auch mit Aaron eingelassen, um ein zweites Eisen im Feuer zu haben. Falls wir eher zum Erfolg kommen würden. Was ja tatsächlich passiert war. Und sie war zur Stelle gewesen, um mir dann den Schlüssel abzunehmen. Vielleicht hatte ich ihn ja auch gar nicht verloren, sondern Lisa hatte ihn mir aus der Tasche gezogen.
Aaron murmelte die ganze Zeit Verwünschungen vor sich hin, die Rollo ganz durcheinander brachten. Jetzt sagte er:

„Und warum, in drei Teufels Namen, sollte Lisa diesen Zettel geschrieben haben, der ja schließlich auf sie selbst hinweist?“

„Um uns zu täuschen, natürlich.“

„Wäre es denn nicht viel geschickter gewesen, das sein zu lassen? Dann hätten wir gedacht, der Mörder hat jetzt, was er will, und ist auf und davon. Wir würden gar nicht mehr hier sitzen und uns blödsinnige Gedanken machen.“

Da hatte er auch wieder recht. Ich konnte nur mit den Schultern zucken. Aaron schob noch etwas nach:

„Außerdem hat sie einen Heidenschrecken bekommen, als ich von Kleists Tod erzählt hab. Ich sag dir, die hat jetzt eine furchtbare Angst. Will sie nicht zugeben, aber ich hab's gesehn. Und das war nicht gespielt.“

Rollo sprang hoch und lief bellend zum Zaun. Dort hatte ein Auto angehalten. Theo Schnei-der stieg aus. Wir gingen ihm entgegen, um Rollo zu zeigen, daß dies ein ungefährlicher Besuch war und er sich wieder beruhigen konnte. Ich dachte, daß die Polizei ja wohl auch langsam verzweifeln mußte. Schon wieder ein Mord, aber sie waren noch keinen Schritt weiter gekommen.
Theo sah allerdings nicht bedrückt aus. Wahrscheinlich hatte es ihm gut getan, daß er den Mord entdeckt hatte. Könnte Widemann beeindruckt haben. Er stolzierte aufs Grundstück und sagte:

„Na, so weit alles in Ordnung hier?“

„Ja, schon, wenn man mal davon absieht, daß die Frauen jetzt komplett durchdrehen.“

Ich fragte: „Was hat der Polizeiarzt gesagt?“

„In der Spritze ist Insulin gewesen. Und wie es scheint, hat sich Kleist die nicht selbst gesetzt.“

„Also wirklich ein neuer Mord.“

„So sieht's aus.“

Aaron sagte: „Ein Verrückter, keine Frage. Aber wer kann das bloß sein?“

„Das wüßten wir auch gerne.“

„Was macht ihr eigentlich die ganze Zeit? Hier läuft ein Wahnsinniger durch die Gegend, eine Gefahr für uns alle, und ihr unternehmt überhaupt nichts!“

„Das ist eben kein normaler Fall. Sehr schwer zu ermitteln. Der Täter ist ungewöhnlich schlau. Ich hab schon vorgeschlagen, daß wir mal einen Profiler hinzuziehen. Aber Widemann hält nichts davon.“

Ich sagte: Ein Serientäter geht doch immer ähnlich vor. Und hier ist bei jedem Mord alles ganz unterschiedlich.“

„Ja, genau. Total außergewöhnlich. Vielleicht ist das ja gerade die Signatur des Mörders.“

„Und, kommen wir dadurch weiter?“

Kamen wir nicht. Die Umstände waren wirklich bizarr. Wie ein absurdes Spiel. Doch ein Spiel war das nicht, es war todernst. Und es mußte endlich ein Ende haben! Aber ich hatte auch keine Idee, was wir unternehmen könnten, außer die Frauen nicht mehr aus den Augen zu lassen. Theo meinte:

„Wenn die Methode des Täters nicht weiterhilft. Wenn Indizien und Zeugen fehlen. Dann wird das Motiv umso wichtiger.“

„Der Faust“, entfuhr es mir.

„Blödsinn! Die Erbschaft! Und da ist die Zahl der Verdächtigen ja durchaus überschaubar.“

„Aha! Natürlich! Jetzt geht's wieder gegen Lisa!“

„Du mußt doch zugeben, Frau E. ...“

„Gar nichts muß ich! Kannst du mir mal sagen, wie Lisa an Insulin gekommen sein soll? Sie weiß doch nicht einmal, daß man damit einen Menschen umbringen kann.“

„Sie ist eben viel raffinierter, als wir denken. Und du weißt längst nicht alles über sie. Oder hat sie dir erzählt, daß sie inzwischen ihre Arbeit in Braunschweig gekündigt hat?“

„Ja, klar. Sicher. Hat sie.“

Er hatte es nicht gewußt. Sieh an! Und offensichtlich war ihm das unangenehm. Theo merk-te es auch, aber er ging darüber hinweg. Soviel Feingefühl hatte ich ihm gar nicht zugetraut. Er sagte:

„Könntest du nicht ein wenig mehr Abstand halten? Nur um sicher zu gehen. Oder hol doch deinen Freund mit ins Haus. Damit du Hilfe hast, falls etwas passiert.“

Jetzt mußte ich mich einmischen:

„Werd ich vielleicht auch mal gefragt, bevor ihr mich hier einplant?“

„Ja machst du dir denn keine Sorgen um ihn?“

„Doch, doch, schon.“

Aber es stimmte nicht. Seltsamerweise war ich nicht besorgt um Aaron. Nach dem, was ich noch eben von meinen Verdachtsmomenten gegen Lisa erzählt hatte, wunderte mich das schon. Anscheinend weigerte sich da mein Gefühl, meinem Verstand zu folgen. Es gelang mir nicht wirklich, Lisa als Mörderin zu sehen, Diana natürlich auch nicht. Theo ging es da anders. Er glaubte tatsächlich, daß Aaron in Gefahr war, und er versuchte geduldig, ihn zu überzeugen. Aber je mehr er auf Aaron einredete, desto genervter wurde der.
Ich betrachtete die beiden wie ein distanzierter Beobachter, den das alles nichts anging. So als ob ich in einem Traum wäre und auch darum wußte. Gleich müßte ich erwachen, und in der echten Realität würde alles wieder in Ordnung sein.
Theo versuchte, mich als Verbündeten zu gewinnen:

„Jetzt sag doch auch mal was!“

„Na ja, ich weiß nicht, ob Lisa eine Mörderin ist. Aber vielleicht gibt es doch etwas, was sie uns nicht erzählt.“

„Du meinst, sie kennt den Täter? Wäre genauso schlimm. Beihilfe. Also ich werd die beiden Frauen noch mal verhören. Sie sind der Schlüssel zu dem Fall. Das steht fest!“


* * *



Theo fand die Frauen im Wohnzimmer. Dort saßen sie nahe beieinander und waren in ein angeregtes Gespräch vertieft, das sie aber abrupt unterbrachen, als Theo den Raum betrat.
Er begrüßte sie und bat darum, mit Lisa alleine reden zu dürfen. Sofort stand Diana auf und ging hinaus. „In die Küche“, wie sie sagte. Lisa sah ihr besorgt nach. Dann drehte sie sich Theo entgegen, und in ihrem Blick konnte er so etwas wie Trotz erkennen. Jedenfalls war sie nicht froh über seinen Besuch. Theo entschied sich, gleich ohne Umschweife zur Sache zu kommen, und fragte nach ihrem Alibi für die vergangene Nacht. Empört fauchte sie ihn an:

„Wo werd ich schon gewesen sein! Hier natürlich!“

„Kann das jemand bezeugen?“

„Geht Sie ja wohl einen Scheißdreck an!“

„Interessant“, dachte Theo, „daß sie bei dem Thema so hochgeht“. Laut sagte er:

„Aber Frau Eschenburg! Mit Feindseligkeit kommen wir doch nicht weiter. Sie sollten schließlich selbst ein Interesse daran haben, Verdachtsmomente gegen Sie -“

„Verdachtsmomente? Verdachtsmomente? Sie glauben im Ernst, daß ich den alten Zausel ermordet habe? Warum denn bloß?“

„Dieser Mord war sicher nur eine Folge des vorhergehenden. Dem an ihrer Cousine - und Miterbin, Frau Eschenburg!“

„Ach, jetzt kommt die Leier wieder! Das ganze Erbe interessiert mich nicht!“

„Weil Sie das Geld nicht brauchen?“

„Ja, genau.“

„Auch noch jetzt, nachdem Sie Ihre Stellung gekündigt haben?“

Daß er davon wußte, überraschte sie. Aber wenn Theo gedacht haben sollte, er könnte Lisa damit verunsichern, hatte er sich getäuscht. Sie sah ihn immer noch herausfordernd an, ihre Miene wurde nur eine Spur giftiger. Theo wunderte sich darüber. Es wäre doch viel geschickter gewesen, so zu tun, als ob sie von den Vorgängen total erschüttert und verängstigt wäre. Sie mußte sich ihrer Sache schon sehr sicher sein.
Er sah ihr fest in die Augen. Auch das brachte sie nicht durcheinander. Bei den kleinen Ganoven, mit denen er es sonst zu tun hatte, wirkte das meist, aber bei Lisa Eschenburg nicht. Sie erwiderte seinen Blick, und ihr ganzes Gesicht drückte feste Entschlossenheit aus. Es wirkte – zumindest im Moment – hart, berechnend und sehr unweiblich. Theo fragte sich, was Aaron wohl an der finden mochte. Nach einer Weile sagte Lisa:

„Kann man jetzt noch nicht einmal den Arbeitsplatz wechseln, ohne daß einem ein Strick daraus gedreht wird?“

„Ach, Sie haben schon eine neue Arbeit?“

„Ich habe mich noch nicht entschieden.“

„So. Sie prüfen noch die Angebote. Verstehe.“

„Allerdings.“

„Und wie liegt Aarons Angebot im Rennen, mit Ihnen in die Südsee zu fahren?“

Wieder hatte Theo sie überrascht. Sie bemühte sich, es nicht zu zeigen, aber es ärgerte sie, daß Aaron mit dem Bullen darüber reden mußte. Was war das eigentlich für ein Verhältnis zwischen den beiden? Und was für ein Interesse hatte der Inspektor an ihrem Aaron?



Diana hatte die Küchentür offen gelassen. Deshalb hörte sie die Stimmen von Lisa und dem Polizisten aus dem Wohnzimmer. Verstehen konnte sie nichts, auch wenn es manchmal ziemlich laut wurde. Daß sich Lisa traute, so mit der Polizei zu reden! Diana sah den Eierbecher an, den sie in der Hand hielt. Was wollte sie doch gleich damit machen? Es fiel ihr nicht mehr ein. Hilfesuchend blickte sie sich im Raum um, als ob die Antwort irgendwo geschrieben stünde. Sie hielt das Stück immer noch fest, als sich die Wohnzimmertür öffnete und der Polizist heraustrat. Er kam zu ihr in die Küche.
Theo Schneider merkte sofort, daß sich Diana Burckhardt in einem ganz anderen Zustand befand als ihre Cousine. Unruhig hantierte sie mit einem Eierbecher, und ihre Augen standen nicht still, wanderten wie auf der Suche an den Wänden entlang. Die brauchte er nicht zu verunsichern, das war sie schon. Eher war hier das Gegenteil nötig. Er bemühte sich deshalb, so beruhigend wie möglich zu sprechen, als er sagte:

„Frau Burckhardt, leider muß ich Ihnen auch ein paar Fragen zu Herrn Kleist stellen.“

„Gustav Kleist?“

„Ja natürlich.“

„Gustav ist tot!“

„Das weiß ich. Darum geht's ja.“

„Dieser Herr Schmitt, der hat das erzählt. Gustav soll in so einem Kloster liegen. Da hat er ihn gefunden.“

„Genauer gesagt, war ich das. Ich hab ihn gefunden.“

„Aber was wollte er da? Und was wollten Sie da?“

„Frau Burckhardt, ich stelle hier die Fragen. Sie antworten.“

„Oh Gott, oh Gott. Ich weiß es doch nicht.“

„Ich hab ja noch gar nichts gefragt!“

Theo stöhnte auf. Das konnte heiter werden! Er fing noch mal ganz von vorne an, fragte danach, was Kleist bei seinem Besuch gestern genau gesagt und getan hatte. Viel Sinn machte das alles trotzdem nicht. Diana Burckhardt wußte anscheinend wirklich nichts. Immer wieder sprang sie auch auf, anstatt zu antworten, öffnete einen Schrank, nahm etwas heraus oder stellte Teile um.
Theo war nahe daran zu verzweifeln. Er dachte: „Wenn ich die nach ihrem Namen frage, muß sie wahrscheinlich auch erst in der Besteckschublade nachsehen.“ Laut sagte er:

„Was machen Sie denn jetzt mit dem ganzen Geld?“

„Was für Geld?“

„Das Erbe, mein ich.“

„Aber ich werd nichts erben. Gustav hat doch einen Sohn. Der erbt alles.“

Theo rollte mit den Augen. Wie dumm und ahnungslos konnte man eigentlich sein? Diese Frau war bestimmt keine durchtriebene Mörderin. Oder war das etwa eine besonders raffinierte Maske?


* * *



Als Theo ins Haus gegangen war, wollte Aaron hinterher, aber ich hatte ihn zurückgehalten. Das würde nur neuen Ärger geben. Statt dessen spazierte ich jetzt mit ihm in den Garten. Nach den ersten Protesten war er mir geistesabwesend gefolgt. Aaron sah wirklich sehr durcheinander aus. Nachdem wir eine Weile so unterwegs waren, sagte er zaghaft:

„Ich glaube, Theo hat recht. Es wäre nicht schlecht, wenn du hier bleiben könntest.“

Erstaunt sah ich ihn an, und er fügte hinzu:

„Hier geht alles drunter und drüber. Ich weiß schon gar nicht mehr, wo mir der Kopf steht.“

„Aber wie soll ich dich vor Lisa beschützen? Schließlich seid ihr ja wohl oft alleine.“

„Quatsch doch kein dummes Zeug! Ich bin nicht in Gefahr. Du sollst mir helfen, sie zu beschützen.“

„Theo denkt darüber anders. Er macht sich jedenfalls große Sorgen. Das merkt man.“

„Ach, der Spinner! Soll lieber seine Arbeit machen. Und nicht rumphantasieren. Lisa, eine Mörderin! So ein Blödsinn!“

Ganz überzeugt wirkte das auf mich nicht mehr. Vielleicht war Aaron inzwischen doch schon selbst ein wenig verunsichert. Ich sagte:

„Wer bedroht denn Lisa? Du doch nicht. Sonst ist hier aber keiner. Und außerdem bist du sowieso immer in ihrer Nähe. Was soll also passieren?“

„Trotzdem. Mir wäre wohler, du würdest hierbleiben.“

Rollo bellte zustimmend.

Ich sagte: „Weißt du was? Das muß ich erst mal sacken lassen. Am besten mach ich einen kleinen Gang mit Rollo. Du kannst ja inzwischen Lisa beschützen.“

„Na gut. Aber wenn du weiter weggehst, mußt du die Leine mitnehmen. Ich hol sie dir eben.“

Als Aaron mit der Hundeleine wieder herauskam und sie mir gab, geriet Rollo ganz außer sich. Er sprang immer wieder an mir hoch und bellte begeistert. Ich legte ihm die Leine an, und wir zogen los. Rollo wollte unbedingt in den Wald, wie es schien. Nachdenklich spazierte ich hinterher.
Sollte ich da bleiben? Zusammen mit Aaron zu wohnen, wäre schon OK. Ob ich mich aber bei den Frauen wohlfühlen würde, war eine andere Frage. Und was sollte ich hier eigentlich? Lisa beschützen? So schutzbedürftig kam sie mir nicht vor, und alles, was da etwa nötig wäre, könnte Aaron bestimmt ganz gut alleine erledigen.
Aaron brauchte mich trotzdem, das war ja deutlich. Aber nicht für Lisa, sondern für sich selbst. Mußte ich also doch Aaron vor Lisa beschützen? Oder am Ende sogar umgekehrt?
Ich wurde immer verwirrter. Es schien, als ob mir der Kleist-Mord die letzte Möglichkeit genommen hätte, alles irgendwie zu erklären. Jetzt ergab nichts mehr einen Sinn.
Die einzige Konstante in diesem ganzen Durcheinander war Rollo. Da konnte ich sicher sein, daß seine Zuneigung echt war. War das bei Lisa so? Wie sah es mit Aaron aus? Und bei Theo?
Rollo hatte mich inzwischen bis in den Wald hineingeführt. Und noch war er ganz zielstrebig unterwegs. Wollte immer weiter. Er zerrte an der Leine und schien zu sagen: „Halte dich nur an mich. Ich weiß, wo es lang geht.“
Im Busch vor uns raschelte es.


* * *



Rollo hielt die Nase dicht am Boden und versuchte, die Spur wiederzufinden. Hier irgendwo mußte sie doch sein. Er war es nicht gewohnt, an der Leine zu gehen. Aber das hieß, sein Lieblingsmensch brauchte Auslauf. Vielleicht wollte er auch wissen, wo dieses neue Tier herkam.
Eben hatte er sich mit dem Anderen gestritten. Sogar angebellt hatten sie sich. Wahrscheinlich ging es um dieses Weibchen. Keine Ahnung, was sie an der fanden. Sie roch meistens irgendwie nach Katze. Unangenehm.
Nase an den Boden!
Da war die Fährte wieder. Sie führte in den Wald. Also los!
Was würde wohl passieren, wenn er Es gefunden hatte? Sicher war es nicht verkehrt, einen Menschen als Hilfe dabei zu haben. Der wird wissen, was zu tun ist. Aber im Moment war er nicht bei der Sache. Er wollte immer wieder von der Spur abweichen. Konnte er denn nicht riechen?
Nase an den Boden!
Rollo hatte Mühe, den Menschen hinter sich herzuziehen. Jetzt wurde die Witterung intensiver. Sie waren nahe dran. Vielleicht da vorne in dem Gebüsch?
Der stechende Geruch brannte Rollo in der Nase. Aus dem Busch fauchte Es.




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